Männer unerwünscht (German Edition)
tätig sei. Ihre Hände waren rot geschwollen, und ein strenger Geruch umgab sie.
Oder die modebewusste Sonja, die sich unter „Schuhverkäuferin“ wohl etwas anderes vorgestellt hatte. Mit dem Vorhaben „Schwung in unsere Bude“ zu bringen, trat sie den Job an. Ich weiß nicht, wie lange sie glaubte, ihren Plan in die Tat umsetzen zu können. Lange jedenfalls nicht. Sonja war nicht mehr sie selbst, als sie das Angebot einer Textilfirma annahm. Ihre Tätigkeit erstreckte sich dort auf das maschinelle Einnähen von Waschanleitungs-Etiketten.
Das nur zur Verdeutlichung meines aufreibenden Jobs. Der Grund, warum nicht auch ich längst e i nen Schlussstrich gezogen hatte lag einzig darin, dass ich mir von einer anderen Tätigkeit, die meinen Qual i fikationen entsprach, keine grundlegen de Verb esserung erhoffte. Deshalb strengte ich mich auf dem Gebiet der Arbeitsuche nicht sonderlich an - bis auf das Überfliegen der Stellenangebote in der Samstagsz eitung - und hielt Fix-Schuh so seit mittlerweile vier Jahren die Treue.
Ein sehr erschwerendes Übel im täglichen Schuh-Zirkus war die Existenz unseres Chefs Bruno Ku n ze. Glücklicherweise war er nicht ständig anwesend, sonst hätte es wohl niemand länger als zwei Tage dort ausgehalten. Außer der dicken Gertrud vielleicht. Doch zu der komme ich gleich.
Bruno Kunze war der unangenehmste Mensch, den die Welt je gesehen hat . Er war einen Kopf kle i ner als ich und hatte eine Halbglatze mit zunehmender Tendenz. Um seinem Haar den Anschein jugendl i cher Fülle zu geben, hatte er sich auf einer Seite so lange Fransen wachsen lassen, dass er sie quer über die Glatze bis auf die andere Seite kämmen konnte. Das schüttere Haar kaschierte so in strähnigen Fäden die kahle Fläche. Sehr lustig sah das aus, wenn man ihn zufällig draußen ohne Hut erwischte. Ein Windstoß – und die Pracht war dahin. Über seiner dicken, blau geäderten Nase saßen wässrig-hellblaue Äugelchen, mit denen er seinem Gegenüber niemals ins Gesicht sah, wenn er sprach. Stattdessen blickte er stur ger a deaus, und so ruhte sein Blick meist in Brusthöhe seiner Angestellten, eben weil er so klein war.
Direkte Anreden waren nicht sein Ding , viel lieber sprach er in der dritten Person. Dass wir Frauen seit vierzig Jahren nicht mehr mit „Fräulein“ angesprochen werden, war bei ihm noch nicht angekommen. Er stand also vor mir, sah mir auf meinen nur in Ansätzen vorhandenen Busen und sagte beispielsweise : „Frä u lein Sack könnte auch mal wieder die Regale abwischen!“ Beim Sprechen betonte er das K und das G unn a türlich stark. Welcher Akzent oder welcher Ursprung dieser Angewohnheit zugrunde lag, habe ich nie he r ausfinden können. Er sagte also: „Fräulein Sackkkkönnte auch mal wieder die Rekale abwischen!“ Zu B e ginn meiner Zeit bei Fix-Schuh hatte mich diese Sprech- und Guckweise zutiefst verwirrt, doch ich fand mich im Laufe der Zeit damit ab. Es gibt Dinge, die wird man niemals ändern können.
Herr Kunze, oder einfach „Chef“, was er gerne hörte, ich jedoch niemals sagte, war extrem überg e wichtig und dementsprechend kurzatmig. Ihn sich nackt vorzustellen glich einer Horrorvision und ließ einem den Appetit auf die Spezies Mann gründlich vergehen. Susi und ich taten es trotzdem manchmal, wenn wir Langeweile hatten und weder Gertrud noch Bruno in der Nähe waren. Wir lachten uns jedes Mal schlapp und kriegten vor Abscheu eine Gänsehaut. Susi imitierte fast perfekt sein K, das war wirklich lustig.
Bruno platzte einmal unbemerkt in eine solche Vorstellung. Susi hatte sich ihre Jacke unters T-Shirt gestopft, um annähernd „Chefs“ Leibesfülle zu erreichen. Gebückt watschelte sie durch den Frühstücksraum und rief: „Fräulein Sackkkkönnte mal nach meinem Sackkkkucken. Dort kkkribbelt es so merckwürdik.“
„Ihm fallen auch dort die Haare aus“, schrie ich vor Lachen und lag schon unterm Tisch. Das war der Moment, als Bruno auf der Bildfläche erschien. Ich konnte nicht mehr aufhören zu lachen, im Gegenteil, es wurde sogar noch schlimmer, als ich ihn leibhaftig vor mir sah.
Susi hatte sich da besser in der Gewalt. Unauffällig entledigte sie sich ihres dicken Bauches und ordnete ihre Haare, die eben noch zu einem strengen Seitenscheitel gekämmt waren. Sie lachte schon längst nicht mehr, während ich mich japsend aufrappelte. Bruno stand dicht vor mir, sah mir auf die Brust und brachte wütend ein „Fräulein Sackkk fliekt raus, sobald ich
Weitere Kostenlose Bücher