Maenner weinen nicht
»Workfit« gebucht.
Was stresst am meisten?; Quelle: Techniker Krankenkasse
Zunehmende Freiberuflichkeit und Selbstständigkeit, moderne Kommunikationsmittel und Arbeitszeitflexibilität führen dazu, dass die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verwischen. So nimmt der Mann sein Handy mit in den Urlaub, der Rechner bleibt auch am Wochenende die ganze Zeit an. Und selbst über das Hotel für den Wellness-Kurzurlaub mit der Freundin ist der Chef informiert. Das positive Gefühl, gebraucht zu werden und unabkömmlich zu sein, erkaufen Männer sich mit einer Art moderner Sklaverei. Damit generiert die von uns geschaffene Gesellschaft ihr eigenes psychisches Leiden. Wie sich immer wieder befristete Verträge, Rente mit 67, Zeit- und Termindruck sowie kontinuierlicher Arbeitsplatzabbau langfristig auf die seelische Gesundheit auswirken werden, lässt sich nur erahnen.
So können Sie verhindern, dass Stress Ihre Psyche angreift:
Ziehen Sie sich nicht zurück, sondern verbringen Sie Zeit mit Freunden und Familie.
Finden Sie einen guten Weg, um Dampf abzulassen. Fressen Sie nicht alles in sich hinein.
Essen Sie regelmäßig und gesund und versuchen Sie, ausreichend zu schlafen.
Reduzieren Sie Koffein, Alkohol, Marihuana und andere Drogen.
Versuchen Sie, jeden Tag Sport zu machen, das verbessert Ihr Wohlbefinden.
Finden Sie heraus, was wichtig ist und Priorität hat. Lernen Sie, auch mal Nein zu sagen.
Treibstoff der Männlichkeit
Dass Männer in Stresssituationen anders als Frauen reagieren und dadurch eher untypische Anzeichen einer Depression zeigen (siehe auch Kapitel 1 »Die ›neue‹ Männerkrankheit«), hat seine Ursache einerseits im erlernten Rollenverhalten. Andererseits sind diese Reaktionen bedingt durch ein grundsätzlich höheres Aggressionspotenzial und das männliche Hormon Testosteron. Dessen Spiegel steigt besonders dann, wenn Männer ihre Macht und Dominanz bedroht fühlen.
Wenn Männer grundlos ausrasten
Die Kinder wegen Nichtigkeiten anbrüllen, mit dem Hammer auf die Wand eindreschen, weil der Nagel nicht halten will – wenn Männer übermäßig aggressiv sind, kann das auch Ausdruck einer Depression sein. Zumindest weisen Untersuchungen darauf hin, dass überzogene Wutanfälle ein typisches Symptom bei depressiven Männern sind. Skispringer Sven Hannawald erkannte sich in Krisenzeiten nicht wieder. Im Interview mit SpiegelTV erzählte er, in dieser Zeit mit einer irre niedrigen Reizschwelle gelebt zu haben. Es habe immer wieder Momente gegeben, in denen er ausgeflippt sei und sich wenig später gefragt habe, was mit ihm los sei.
»Ich konnte nicht mehr. Jeder, der mich
angesprochen hat, kriegte eins drüber,
jeder hat genervt.«
Matthias Schweighöfer, 31 Jahre,
Schauspieler
Das Gesicht hochrot, Schweißperlen auf der Stirn, der Puls rast, und die Atmung geht schwer, dazu Zittern und Schwindel. Frust und Anspannung entladen sich oft mit Gebrüll und Geschrei, mitunter auch durch Handgreiflichkeiten – und das innerhalb weniger Sekunden. Übrig bleiben am Ende Scham- und Schuldgefühle. Denn typischerweise ist die Reaktion auf die Situation völlig unangemessen. Im Nachhinein tut den Männern ihr Ausbruch leid. Oft sind sie von sich selbst entsetzt und stehen dem Wutausbruch hilflos gegenüber.
Das Problem: Männer hauen auf den Tisch, das war schon früher so. Und das ist auch heute noch durchaus üblich. Kein Wunder, dass wir aggressive Ausbrüche, die eigentlich krankhaft sind, nicht wirklich bemerken. Selbst für den Arzt ist es schwierig, Wutausbrüchen, Feindseligkeit und Aggressivität auf die Spur zu kommen, werden sie doch durch die gängigen Diagnosekriterien nur am Rande erfasst.
Burn out; aus Peter Thulke: Cartoons , © 2012 Lappan
Hier sollte der Therapeut am besten ganz konkret nachfragen: Wie reagieren Sie auf den Ungehorsam des pubertierenden Sohnes, wie wütend werden Sie, wenn die kleine Tochter eine Tasse umschmeißt oder Ihre Ehefrau den Lieblingspullover zu heiß gewaschen hat? Weil die Männer selbst ihren Ärger oft verharmlosen oder gar verdrängen, lohnt es sich durchaus, auch einmal bei der Familie nachzufragen. Der übermäßige Frust kommt übrigens nicht von ungefähr: Genau wie die Depression werden Wutanfälle von einem Hormonchaos im Gehirn verursacht, bei dem mangelndes Serotonin eine zentrale Rolle spielt. Bei Männern, die vermehrt zu Wutanfällen neigen, wird man also versuchen, diese durch Antidepressiva (siehe Kapitel 6 »Wege aus der
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