Maenner weinen nicht
Und merke, ich kann es schaffen.«
4 Wenn Väter und Söhne leiden
»Männer haben ’s schwer,
nehmen ’s leicht,
außen hart und
innen ganz weich,
werden als Kind schon
auf Mann geeicht.«
Herbert Grönemeyer, »Männer«
»Plötzlich war ihm alles zu viel« I
»Mein Mann Ben und ich sind seit sechs Jahren ein Paar. Waren, sollte ich wohl besser sagen. Unsere Tochter Laura wurde vor sieben Monaten geboren, sie ist ein Wunschkind. Als Laura etwa zehn Wochen alt war, hatte ich mit einem Mal so ein ungutes Gefühl – als ob sich plötzlich ein feiner Riss durch unsere Familie zog. Ben schien so abwesend, freute sich kaum über unsere Tochter und fing an, mir auszuweichen. Ich fragte ihn, ob mit ihm alles in Ordnung sei und was er habe, aber er blockte total. Nächtelang saß er vorm Computer und surfte im Netz.
Irgendwann, als ich mal wieder bohrte, begann er zu reden: Nichts sei okay, er wisse gar nicht, ob er das alles hier, ob er diese Familie überhaupt noch wolle. Ich war wie vor den Kopf gestoßen und fing an zu weinen. Ich hatte nur noch den Gedanken im Kopf, jetzt ist alles vorbei, jetzt macht sich unser kleines Glück aus dem Staub, ohne dass ich etwas tun kann. Ich wurde wütend, schrie ihn an, dass wir uns Laura doch beide so gewünscht hätten. Ich durchlebte ein totales Gefühlschaos. Ich zog mich zurück, weil ich hoffte, dass Ben wenigstens dann zur Vernunft käme. Aber nichts, die nächsten Tage redeten wir kaum das Notwendigste.
Einmal brachte Ben unser Baby ins Bett, und danach klappte er weinend zusammen. Sprach erneut davon, dass er nicht klarkomme mit der neuen Situation. Unsere Beziehung kam immer mehr ins Schlingern. Dabei hatten wir uns doch so auf das Baby gefreut, hatten gemeinsam entschieden, wann ein guter Zeitpunkt dafür sei. Nun war unser Kind da, und Ben konnte sich überhaupt nicht freuen. Er ließ keine Nähe mehr zu, auch wenn wir noch gelegentlich miteinander schliefen: kein morgendlicher Abschiedskuss, keine Umarmung, kein liebevolles Wort. Plötzlich war ihm alles zu viel.
Und nicht nur seine Stimmung war mies, er war auch körperlich nicht gut drauf. Nachts wälzte er sich schlaflos im Bett umher. Oft schwitzte er so stark, dass er noch in der Nacht das Bett neu bezog. Er schob alles auf eine Erkältung. Für mich war allerdings klar, dass er den wahren Grund für sein körperliches Tief wohl verdrängte – was der auch immer sein mochte.
Ben ging immer öfter in die Kneipe, sagte mir nicht, wo er war, kam spät nach Hause. Auf meine Frage hin, warum er mich nicht anrufe oder wenigstens Bescheid gebe, beschimpfte er mich: Ich sei verrückt, panisch, das habe er doch noch nie, aus der Kneipe angerufen. Bald stritten wir uns nur noch. Irgendwann war alles meine Schuld, ich hätte ihn zu der Schwangerschaft überredet, er sei sich von Anfang an unsicher gewesen, ob dieses Kind gut für uns sei. Ich war traurig, fühlte mich abgelehnt, sorgte mich um unsere Tochter, weil ihr Vater sich entzog. Zwischendurch riss ich mich immer wieder zusammen. Redete mir ein, dass er es nicht so meint, versuchte, seine Worte an mir abprallen zu lassen. Aber seine Wutausbrüche, sein Frust und seine Reizbarkeit ängstigten mich. Auffällig war außerdem, dass er all die hässlichen Dinge, die er mir bei seinen Wutausbrüchen an den Kopf warf, im nächsten Moment vergessen hatte.
Nach drei Monaten zog Ben aus, sagte, es sei alles vorbei. Fünf Wochen später war er wieder da. Doch ich merkte schnell: Viel verändert hatte sich nicht. Er machte weiter sein Ding, Laura und ich waren ihm offenbar egal. Ich konnte ihn ja auch nicht dazu zwingen, unser Leben gut zu finden. Ich bat ihn, mit mir zu einer Familienberatungsstelle zu kommen. Er tat es komplett ab, das spiele sich doch alles nur in meinem Kopf ab. Lag es also vielleicht doch an mir? Erwartete ich zu viel? Musste ich geduldiger sein? Ich fühlte mich schrecklich allein, hatte keine Unterstützung, sehnte mich nach meinen Eltern. Doch die leben sechs Autostunden von uns entfernt.
Keine drei Wochen später haute Ben wieder ab, nun aber war sein Auszug endgültig. Bis heute ist das der Stand der Dinge: Er ist weg. Ohne einen Grund genannt zu haben, ohne rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Er hat weder die Scheidung eingereicht noch das Haus zum Verkauf an einen Makler übergeben. Ab und zu kommt er vorbei, um Laura zu sehen. Doch ich weiß nie, wann, ganz plötzlich steht er dann vor der Tür. Er ist offenbar völlig durcheinander und
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