Maenner weinen nicht
weiß überhaupt nicht, was er will. Einerseits grenzt er sich ab, andererseits will er Nähe zu Laura aufbauen. Wenn ich ihn nur in Ruhe ließe, dann würde das schon gelingen, und dann würde sich auch zeigen, wie es mit uns weitergehe, glaubt er. Ich habe ihn gebeten, sich beim Arzt durchchecken zu lassen. Doch das lehnt er ab, er sei kerngesund und brauche keinen Doktor. Ich bin mir aber sicher: Er hat ein handfestes Problem.«
Babyblues bei Vätern
Erinnern Sie sich noch daran, als Sie Ihr Baby das erste Mal gesehen haben? Mit wie viel Stolz und Freude es Sie damals erfüllte, das winzige Lebewesen in den Armen zu halten? Das erste Lächeln, ein Glucksen, undeutliches Gebrabbel, das doch Entzücken auslöste. Es ist ein großes Glück, ein Kind beim Aufwachsen zu begleiten, es zu beschützen und auf das spätere Leben vorzubereiten. Die meisten Eltern erfüllt die Erinnerung daran mit so viel Wärme und dem Gefühl, noch nie etwas Vergleichbares erlebt zu haben. Kinder zu lieben, bedeutet, ohne Vorbehalte zu lieben, immer wieder die Hand zu reichen, ohne diese zu sehr festzuhalten – ein Leben lang.
Doch nicht alle Väter können das Elterndasein so genießen. »Mit der Geburt eines Kindes verdichten sich Freude und Ängste wie zu kaum einem anderen lebensgeschichtlichen Zeitpunkt«, weiß der Frankfurter Psychoanalytiker Hans-Geert Metzger aus dem Umgang mit Klienten. »Diese paradoxen Gefühle lassen sich nur schwer gleichzeitig ertragen.« Neben der Freude über das Kind erleben viele junge Väter in den Tagen, Wochen und Monaten nach der Geburt ein überwältigendes Gefühl der Hilflosigkeit. Die Partnerin lebt in einem Zustand der Glückseligkeit, den die Männer weder erspüren noch erleben und noch viel weniger verstehen können. Das unbestimmte Gefühl des Ausgeschlossenseins, des Nichtteilhabens nagt am männlichen Selbstbewusstsein.
Nicht selten stellt so die Geburt eines Kindes als krisenhafte Situation das ganze bisherige Leben in Frage. Warum habe ich mich auf die Vaterschaft eingelassen? Ist das wirklich die richtige Frau an meiner Seite? Weshalb bin ich in die väterliche Kanzlei eingestiegen, obwohl ich Schreiner werden wollte? Zu glauben, bisher nur falsche Entscheidungen getroffen zu haben, löst unangenehme Gefühle aus: Scham, Angst und Trauer. Wenn Schuld und Scham übermächtig werden, ist die seelische Krise nicht weit.
Neben kurzen psychischen Tiefs können die Väter auch echte Depressionen entwickeln. Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2010 zeigt, dass gerade werdende und junge Väter überdurchschnittlich oft depressiv erkranken: Der Auswertung zufolge leidet etwa jeder zehnte Mann darunter. Damit sind junge Väter anderthalb mal so oft betroffen wie alle anderen Männer, fanden die Kinderärzte James Paulson und Sharnail Bazemore von der Eastern Virginia Medical School in Norfolk heraus. Für ihre Untersuchung hatten die beiden Amerikaner die Daten von 43 Studien mit 28000 Männern ausgewertet. Besonders groß sei die Gefahr zu erkranken, wenn die Kinder zwischen drei und sechs Monaten alt sind.
Offenbar rüttelt die neue Familienkonstellation heftiger an der Psyche der Männer, als man lange annahm. Kein Wunder, denn die jungen Väter sind plötzlich Stressfaktoren ausgesetzt, von deren Existenz sie bislang noch nicht einmal etwas geahnt haben: Kann ich dem Kind ein guter Vater sein? Was passiert mit meinen eigenen Wünschen und Plänen? Und wie führe ich mit der Mutter weiterhin eine gute und gleichberechtigte Partnerschaft?
Immerhin verstehen sich viele Männer als Beschützer ihrer Frau – doch plötzlich beschützt die Frau das Kind. Sie sehen sich als Ernährer der Familie – nun gibt es mit einem Mal Elterngeld. Sie waren Liebhaber – jetzt liegt das Baby im Ehebett und verhindert lustvolle Intimität. »Die Männer von heute befinden sich in einer Identitätskrise«, sagt Metzger. »Sie haben den Verlust ihrer angestammten männlichen Rolle noch nicht verarbeitet, aber auch noch keinen neuen Platz gefunden.« Sich das bewusst zu machen, kann für das Ego des Mannes traumatisch sein. Er verliert seine eigentliche Bestimmung, fühlt sich aus der Partnerschaft ausgeschlossen und muss seinen Platz in der neuen Familie erst nach und nach finden.
Denis Metz; aus Fiese Bilder 3 , © 2011 Lappan
Dabei wird nicht nur seine Rolle in der Beziehung hinterfragt, auch alle anderen Lebensbereiche verändern sich: Statt Party machen und mit Freunden abhängen, stehen
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