Maenner weinen nicht
plötzlich Windeln, Füttern und das nächtelange Umhertragen eines schreienden Bündels auf dem Programm. Statt spontaner Last-Minute-Urlaube wird die kommende Auszeit monatelang im Voraus an der dänischen Ostsee geplant – gemeinsam mit den Schwiegereltern, die man in den acht Jahren Beziehung davor höchstens fünf Mal gesehen hat. Die lebenslange Freiheit, die viele Männer glaubten zu haben, droht plötzlich zu schwinden.
Die Vorahnung, was da auf sie zukommt, lässt eine ganze Reihe von Männern auf Kinder verzichten. »Hinter der Angst vor einer Vaterschaft vermute ich eine Unsterblichkeitsfantasie. Es ist der Versuch, sich der Generationenfolge zu verweigern«, sagt Metzger. Stattdessen steht der Wunsch im Vordergrund, eigene Bedürfnisse auszuleben und sich nicht von der nächsten Generation einschränken zu lassen. Die Entscheidung zur Vaterschaft bedeutet letztlich den Abschied aus der Position des Kindes. Die »Jugend« neigt sich dem Ende zu, die eigene Vergänglichkeit rückt schmerzlich ins Bewusstsein. »Der Mann merkt, dass er nicht mehr endlos Zeit hat. Er kann nicht mehr alle Entscheidungen hinausschieben«, sagt Metzger. Beruflich den Neuanfang wagen? Ein ungünstiger Zeitpunkt. Ein halbes Jahr um die Welt reisen? Mit Windeln und Fläschchen im Gepäck eher unbequem. Sich endlich verwirklichen? Zu spät.
»Ich bin 35, habe einen Sohn und bin seit drei Jahren verheiratet. Unser Sohn ist ein halbes Jahr alt, gesund und ein genügsames Kerlchen. Meine Frau liebt mich. Ich habe einen guten Job. Wir haben keine finanziellen Sorgen. Eigentlich müsste ich glücklich sein und es genießen, Papa zu sein. Ich kann es aber nicht. Wenn der Kleine schreit, bin ich gleich auf 180 und habe Mühe, meine Aggressionen zu verbergen. Alle paar Wochen erwische ich mich dabei, dass ich mit der Faust gegen die Wand schlage. Ich flippe bei Nichtigkeiten aus. Heute habe ich meinen Sohn das erste Mal angeschrien. Warum? Es gab keinen Grund, ich wollte nur meine Ruhe haben. Ich kann mich nicht erinnern, vor meiner Vaterschaft je so aggressiv gewesen zu sein. Ich habe mich nie geprügelt, war eher der besonnene Typ. Was jetzt abgeht, ist daher völlig neu für mich. Klar, die Geburt des Kleinen und die ersten Tage waren extrem anstrengend. Das Kind kam zwei Wochen später als errechnet, meine Frau lag 36 Stunden in den Wehen. Zuletzt holten die Ärzte den Jungen doch per Kaiserschnitt.
Das Leben hat sich seitdem um 180 Grad gedreht: Vor der Schwangerschaft fuhr ich regelmäßig mit meinem Bus nach Fehmarn zum Kitesurfen. Das habe ich aufgegeben, um mehr bei meiner Familie zu sein. Doch von der fühle ich mich ausgeschlossen. Ich bin eifersüchtig auf den Kleinen, weil er die ganze Aufmerksamkeit meiner Frau bekommt. Meine Frau und ich, wir entfernen uns immer weiter voneinander. Früher haben wir uns häufig gegenseitig massiert. Heute gibt’s nur noch Babymassage.« (Claus H., 35 Jahre, IT-Experte)
Nach der Geburt reagiert ein Teil der Männer ganz typisch auf diese neuen, mitunter bedrohlichen Gefühle und Veränderungen: Sie ziehen sich zurück, vor allem aus der Familie und der Partnerschaft. Nicht alle reagieren dabei so heftig wie Ben, der wenige Monate nach der Geburt seiner Tochter Laura seine Familie zwei Mal verlassen hat. Doch hört man sich unter jungen Familien um, berichten viele von der väterlichen Zurückhaltung. Während der Schwangerschaft geloben sie für die Zeit nach der Geburt intensive Nähe und Unterstützung. Ist es dann so weit, scheint alles vergessen. Stattdessen bleibt der junge Vater länger im Büro, geht am Wochenende mit seinen Kumpels angeln oder Ski fahren.
In einer im Jahr 2002 publizierten Umfrage des Bundesfamilienministeriums versprachen vor der Geburt drei von fünf Männern, nachts aufzustehen, um das Kind zu versorgen. Tatsächlich tat es nur einer von fünf. Fast jeder Vater wollte gemäß Umfrage sein Kind zu Bett bringen, in der Realität übernahm nur jeder zweite das Abendritual. Fast 70 Prozent der werdenden Väter schworen, das Kind zu füttern; im Alltag griff nur jeder vierte Mann zu Löffel und Brei.
Väter engagieren sich Studien zufolge erst dann stärker, wenn ihre Kinder größer sind. Offenbar benötigen sie erst eine gewisse Zeit, um sich mit der neuen Situation abzufinden und ihr etwas abzugewinnen. Die Vorzüge der neuen Männlichkeit, des Vaterseins wollen von ihnen erst nach und nach entdeckt und entwickelt werden.
»Männer, die mit ihrer neuen Rolle
Weitere Kostenlose Bücher