Maenner weinen nicht
beschleicht beim Gedanken daran, in ein paar Monaten eine ganz neue Laufbahn einzuschlagen, ein flaues Gefühl. Bereits 1865 beschrieb der Evolutionist Edward Tylor das Couvade-Syndrom. Pate für den Begriff stand das französische Verb »couver«, was so viel heißt wie »brüten«. In den Kulturkreisen verschiedener Naturvölker bereiteten sich die werdenden Väter durch eine »rituelle Couvade« auf die neue Lebenssituation vor. Sie übten beispielsweise Verzicht, indem sie fasteten, dem Tanz, der Musik und dem außerehelichem Sex entsagten und mitunter sogar aufhörten zu arbeiten.
Für die Männer von heute ist es kaum möglich, ihren Gefühlen so einfach Luft zu machen. Nicht selten führt der innere Konflikt dazu, dass Männer mehr essen und so bald auch einen Babybauch entwickeln. Während Frauen in der Schwangerschaft zehn bis 15 Kilo zunehmen, sind es bei den Männern immerhin vier, fand die Bremer Diplompsychologin Ulrike Hauffe heraus, indem sie die 150 Teilnehmer zu Beginn und am Ende des Geburtsvorbereitungskurses wog. Zunehmend fordern schwangere Frauen von ihren Männern, am Geburtsvorbereitungskurs teilzunehmen und im Kaufhaus Kindermöbel und Babywäsche auszusuchen. Kumpels treffen, zum Fußball gehen und Überstunden abfeiern sind dann weniger gern gesehen, angesagt sind dafür Nestbau und Nähe.
Die körperlichen Beschwerden machen es dem einen oder anderen Betroffenen leichter, während der neun Monate auf Kneipe und Fußball zu verzichten. Genau wie bei den Urvölkern könnte dieser Verzicht demonstrieren, dass die Väter in spe wirklich bereit sind, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Die vermehrte körperliche Nähe zur schwangeren Partnerin bringt die Hormone der werdenden Väter in Wallung. Neben Cortisol und Oxytocin steigt kurz vor der Geburt auch der männliche Prolaktin-Spiegel, wenngleich er deutlich niedriger bleibt als bei den Frauen. Während Oxytocin als Kuschel- oder Treuehormon gilt, fördert das Prolaktin das sogenannte Brutpflegeverhalten, also die Fürsorge und Pflege des Kindes.
Psychologen stellen die Diagnose »Couvade-Syndrom«, wenn der werdende Vater über mindestens zwei körperliche oder psychische Symptome klagt. Dass körperliche Anzeichen wie Brechreiz und Verstopfung oder Zahn- und Kopfweh eigentlich den Konflikt mit der zukünftigen Vaterrolle kaschieren, bleibt den meisten Männern jedoch verborgen. Das Magendrücken und die paar Kilogramm mehr auf den Rippen sind zwar unangenehm, aber nicht wirklich besorgniserregend. Und Herzrasen und Sodbrennen lassen sich ihrer Ansicht nach ohnehin am besten medikamentös therapieren.
Werden die verschiedenen Beschwerden jedoch zur Dauerbelastung, empfehlen Experten eine Psychotherapie. Bei Matthias hat genau das geholfen: Anders als die meisten seiner Leidensgenossen hat er sich einen Therapeuten gesucht und konnte die quälenden Fragen zur künftigen Vaterschaft ansprechen. Mit der Geburt seiner Tochter ging es dem jungen Vater schlagartig besser. Seine Frau und er freuen sich mittlerweile auf ihr zweites Kind.
Was ist was?
Couvade
Das Couvade-Syndrom umfasst körperliche Unpässlichkeiten bei Männern, die denen schwangerer Frauen ähneln. Übelkeit, Verstopfung, Gewichtszunahme, Sodbrennen, Kopf- oder Zahnschmerzen gesellen sich zu seelischen Sorgen wie depressives Unbehagen, diffuse Ängste bis hin zu Panikattacken.
Babyblues
Der Babyblues ist eine ganz gesunde Sache, selbst bei Männern. Das psychische Tief in den ersten Wochen nach der Geburt dauert nur wenige Stunden bis Tage an. Typische Anzeichen sind Müdigkeit und Erschöpfung, Ruhelosigkeit und Appetitmangel, Stimmungsschwankungen und Reizbarkeit.
Väterliche Depression nach der Geburt
Die väterliche Depression (paternal postpartal depression, PPD) entwickelt sich schleichend nach der Geburt des Kindes und innerhalb seines ersten Lebensjahres. Es gibt un terschiedlich schwere Ausprägungen von Anpassungs störungen bis hin zu schweren Formen mit Suizidgedanken.
Postpartale Psychose
Eine Psychose bei Männern im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft ist selten. Sie kann die Folge einer Depression sein oder unabhängig davon auftreten. Anzeichen wie starke Unruhe, Antriebs- und Teilnahmslosigkeit, extreme Angstzustände, Wahnvorstellungen und Halluzinationen kennzeichnen diese schwerste Form der psychischen Krisen um Geburt und Schwangerschaft.
Die verlassenen Kinder
Nicht nur Sie und Ihre Partnerin profitieren davon, wenn Sie sich Ihren Problemen
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