Maenner weinen nicht
suchen wir bei der Depression nicht nach einer einzelnen genetischen Mutation oder einem krankhaften Gen. Es genügt also nicht, einen einzigen Gentest zu entwickeln. Vielmehr entsteht die Depression durch die Kombination vieler Veränderungen auf der DNA , unserer Erbsubstanz, und äußerer Einflüsse, deren Entstehung und Auswirkung wir meist noch nicht kennen.
Was haben Sie bisher herausgefunden?
Wir kennen mittlerweile einige Blutwerte, Biomarker und Genvarianten, um voraussagen zu können, ob die Therapie mit bestimmten Antidepressiva anschlägt oder nicht. Patienten, die ihren Laborergebnissen zufolge wahrscheinlich schlechter auf Medikamente ansprechen, bekommen von uns höhere Dosen, oder wir kombinieren Medikamente miteinander.
Können Sie uns ein Beispiel für Ihren Erfolg nennen?
Unser Gehirn wird durch eine sogenannte Blut-Hirn-Schranke vor körperfremden Molekülen geschützt. Wächtermoleküle an der Grenze zwischen Blutgefäßen und Hirngewebe fangen die unerwünschten Stoffe ab und führen sie wieder dem Körper-Blutkreislauf zu. Sind diese Moleküle aufgrund genetischer Besonderheiten verändert, dringen Medikamente leichter ins Gehirn vor – und wirken besser. Die genetischen Veränderungen können die Wächtermoleküle aber auch stärken. Dann dringt zu wenig Antidepressivum in das Gehirn ein, die Wirkung bleibt aus. Wir haben einen Gentest entwickelt, der die unterschiedlichen Eigenschaften der Wächtermoleküle erkennt. In der Klinik des Max-Planck-Instituts setzen wir ihn bereits routinemäßig ein. Vermarktet wird der sogenannte APCB 1-Test noch nicht.
Wird es eines Tages das Antidepressivum für den Mann geben?
Aus heutiger Sicht nein. Doch statt der Gießkannenmedizin von heute, bei der alle Patienten die gleichen Medikamente in ähnlicher Dosis bekommen, werden wir die Depression demnächst in 20, 30 diagnostische Untergruppen einteilen: je nachdem, welche Gene im Gehirn des Patienten verändert sind und welche Risikofaktoren er hat. Es könnte sein, dass von einer Unterform besonders häufig Männer betroffen sind.
Wird es bald neue Medikamente gegen Depressionen geben?
Auf jeden Fall. Momentan verhandle ich mit einem großen Pharmaunternehmen, damit sie einen Wirkstoff aus der Schublade holen, der in früheren Untersuchungen erfolglos getestet wurde: der CRH -Rezeptor-Blocker. Das Corticotropin-Releasing Hormone veranlasst den Organismus, unter Stress vermehrt Kortisol auszuschütten, und versetzt den Körper dadurch in eine Art angespannte Wachsamkeit. Kann er sich davon nicht erholen, resultieren daraus bei denjenigen, die eine genetische Veranlagung aufweisen, Depressionen. Man weiß, dass depressive Menschen erhöhte CRH -Werte im Gehirn haben, sodass wir zunächst davon ausgingen, dass eine Blockade die erhöhten Hormonwerte senken und die Depression bessern würde. In ersten Untersuchungen wirkte der CRH -Blocker jedoch im Vergleich zu einem Scheinmedikament nicht besser. Kein Wunder, wie wir im Nachhinein herausfanden. Denn nur etwa zehn bis zwanzig Prozent der depressiven Patienten haben einen gestörten CRH -Haushalt. Bei dieser kleinen Gruppe wirken die CRH -Blocker sehr erfolgreich. Um diese Patienten herauszufischen, haben wir einen Biomarker entwickelt.
Wie muss man sich diesen Biomarker vorstellen?
In diesem konkreten Fall haben wir nach zahlreichen Vorversuchen an Mäusen herausgefunden, dass depressive Menschen mit einer verstärkten REM -Schlaf-Aktivität auch diejenigen sind, die am besten auf den CRH -Rezeptor-Blocker ansprachen. Die REM -Schlaf-Phasen sind die Schlafperioden, in denen wir träumen. Wir können sie gut erfassen, wenn wir die Hirnströme der Patienten messen. Derzeit testen wir den CRH -Rezeptor-Blocker in einer Studie mit über 100 Patienten, die diese auffällige REM -Schlaf-Aktivität haben. Verläuft diese erfolgreich, steht einer Zulassung des Rezeptorblockers nichts mehr im Weg.
Wie sieht die Zukunft der Depressionsforschung aus?
Es wird darum gehen, anhand eines genetischen Fingerabdrucks und körpereigener Biomarker vorauszusagen, wer an einer Depression erkranken wird und wer nicht. Bei einem erhöhten Blutdruck warten Sie ja auch nicht ab, bis der Patient einen Schlaganfall oder Herzinfarkt bekommt, bevor Sie etwas tun. Eine solche Kombination von Tests bringt natürlich nur dann etwas, wenn wir über eine wirksame präventive Therapie verfügen. Nehmen wir einmal den Soldaten in Afghanistan: Wenn der mit ansehen muss, wie sein
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