Maenner weinen nicht
Gehirn.
Schon lange vor seinem musikalischen Erfolg litt Cobain unter psychischen Problemen. Seine Eltern trennten sich, als er neun war. Er litt unter einer Aufmerksamkeitsstörung und bekam Ritalin, einen Wirkstoff, der die körperliche Leistungsfähigkeit verbessern kann. Als Teenager lebte er in mehreren Pflegefamilien. Außerdem bekam er mit, als zwei seiner Onkel sich umbrachten. Spätestens seit seinem 18. Lebensjahr zeigte Cobain Anzeichen einer Depression, die hätte behandelt werden müssen. In seinen Tagebüchern finden sich Einträge wie »Ich hasse mich selbst und möchte sterben«. Trotz mehrerer Anläufe für eine Entzugstherapie erschoss sich Cobain 1994, nachdem er sich zunächst eine Überdosis Heroin gespritzt hatte. Offenbar wollte er ganz sichergehen, dass der Suizid ihm dieses Mal gelang. Einige Wochen vorher hatte er bereits einen vergeblichen Versuch unternommen. Cobains Abschiedsbrief endet mit dem Zitat eines Neil-Young-Songs: »Es ist besser auszubrennen, als lautlos zu entschwinden.«
Wer überdurchschnittlich erfolgreich ist, ist auch besonders für einen frühen Tod, für ein Leben in Risiko und Rausch gefährdet. »Diese Zusammenhänge betreffen allerdings vor allem die Crème de la Crème der Musikszene«, sagt Bandelow, selbst Amateurmusiker. Der amerikanische Psychiater Arnold Ludwig nannte dieses Phänomen den »Preis der Größe«.
Bestätigt hat dies auch der Gesundheitswissenschaftler Mark Bellis von der John Moores University in Liverpool mit seiner Untersuchung »Elvis to Eminem«. Er geht genau wie Borwin Bandelow davon aus, dass die meisten Musiker schon vor ihrem musikalischen Erfolg psychisch auffällig sind. Für die Publikation werteten Bellis und sein Team die Lebensläufe von mehr als tausend US -amerikanischen und europäischen Sängern und Musikern aus, die es im Jahr 2000 auf die Liste der Künstler mit den bestverkauften Alben geschafft hatten.
Insgesamt 100 dieser Musiker starben zwischen 1956 und 2005, die meisten waren Männer. In dem untersuchten Zeitraum von 25 Jahren waren das fast doppelt so viele Stars wie in der Normalbevölkerung. Jeder Vierte starb im Zusammenhang mit Drogen und Alkohol. Besonders gefährlich lebten die Stars in den ersten fünf Jahren ihres Ruhmes. Das Leben erfolgreicher Musiker endete Bellis’ Berechnungen zufolge durchschnittlich bereits mit Ende vierzig; noch lebende Legenden wie Paul McCartney, Mick Jagger oder Elton John erhöhten diesen Altersschnitt. Wer wie sie mindestens 25 Jahre im Showbusiness überlebt hat, der hat auch eine normale Lebenserwartung.
Wer nach Beispielen für die psychische Labilität von Bühnengrößen sucht, braucht nicht nach Amerika zu schauen; auch hierzulande gibt es traurige Beispiele für Selbstzerstörung und Verzweiflung: Der deutsche Schlagerstar Roy Black starb 1991 offiziell an Herzversagen; sein Sohn Thorsten ging jedoch Presseberichten zufolge davon aus, dass er sich umbrachte. Die Obduktion ergab einen Blutalkoholwert von etwa drei – erreichbar nur für jemanden, der exzessives Trinken gewohnt ist. Der Spagat zwischen seiner Rolle als Schlagerstar Roy Black und dem Privatmenschen Gerhard Höllerich soll ihm zeit seines Lebens zugesetzt haben. Lieber hätte der Musiker Rock ’n’ Roll gesungen, statt den Schlagerstar zu mimen. Als Roy Black hatte er jahrzehntelang gestrahlt und wurde bewundert, als Gerhard Höllerich war er einsam, von Selbstzweifeln geplagt und depressiv.
Auch Rex Gildo ereilte ein tragisches Ende, wahrscheinlich ausgelöst durch depressive Stimmungsschwankungen. Der Schlagerstar stürzte sich 1999 nach einem Streit mit seinem Lebensgefährten aus dem Badezimmerfenster einer Wohnung in der Münchner Ottostraße. Verzweifelt und einsam sei er gewesen, Angst vor dem Alter habe er gehabt – so erklärte sich BILD den Fenstersturz. Sein Alkoholismus war in der Branche ein offenes Geheimnis. Immer wieder musste er Auftritte absagen, mehr als einmal blieb den Veranstaltern nichts anderes übrig, als kurzfristig Playback einzuspielen.
Gerade bei Männern sind Alkoholsucht und Depressionen oft eng miteinander verknüpft – wie möglicherweise auch bei dem 2010 verstorbenen Frank Giering. Der erfolgreiche Schauspieler spielte in Filmen wie Absolute Giganten , Baader und Gran Paradiso wichtige Rollen. Von 2006 bis 2010 mimte Giering in der ZDF -Serie Der Kriminalist an der Seite von Christian Berkel den Kommissar Henry Weber.
Trotz seines Erfolges auf der Leinwand war
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