Maenner weinen nicht
Giering ein Schauspielstar voller Selbstzweifel, geprägt von früheren Erlebnissen: Den Sportunterricht habe er wegen seines Übergewichts als traumatisch erlebt, Mädchen traute er sich nicht anzusprechen, weil er die Zurückweisung fürchtete, zwei Schauspielschulen hatte er geschmissen, weil er die Rollenspiele als Zumutung empfand. Die Gründe für seinen frühen Tod sind widersprüchlich: Mal ist von einer Gallenkolik die Rede, dann wieder von Herzversagen, Alkoholvergiftung oder Selbstmord. In einem Interview mit Spiegel Online wenige Monate vor seinem Tod sprach Giering über seine Ängste: Die Gefahr, in ein Loch zu fallen, sei immer da. Ebenso die Angst, wie es wohl weitergehe im Leben. Möglicherweise war Gierings Angst eines Tages größer als sein Lebenswille.
Gunter Gabriels Mutter starb, als er vier war. Sie hatte mit einer Stricknadel selbst abgetrieben, die dabei ausgelöste Entzündung endete nach einem Dreivierteljahr tödlich. Dass seine Mutter ihn so früh allein ließ, nennt Gabriel die Tragik seines Lebens. »Wer als Kind seine Mutter verliert, entwickelt sich anders als jemand, der immer eine hatte«, schreibt Gabriel in seiner Biografie Wer einmal tief im Keller saß . Statt mit einer liebevollen Mutter wächst Gabriel also bei seinem Vater auf, den er als gewalttätig beschreibt und der ihn und seine Schwester regelmäßig prügelt. Als Gabriel 18 Jahre alt ist, stirbt der verhasste Vater, ohne ihn jemals gelobt zu haben. Die Kindheit hat tiefe Spuren bei dem Sänger hinterlassen, bis heute kann er wirkliche Nähe nicht zulassen: Viermal war er verheiratet, gehalten hat keine der Ehen. Auch seine Erfolge im Showbusiness machten ihn nicht glücklich. Gabriel verlor sein Vermögen, machte fast 10 Millionen Mark Schulden. Zeitweilig lebte er sogar auf der Straße, viele Jahre auch in seinem Wohnmobil. Er betäubte sich mit Alkohol, Drogen, Gewalt, litt immer wieder unter Depressionen und hatte Selbstmordgedanken.
In den Fängen der Musik
Und wie steht es um die klassischen Musiker? Gibt es hier auch welche, die erst durch psychische Labilität zu künstlerischen Höchstleistungen gelangen? Für das musikbegeisterte Publikum verkörpern die Profis im Orchestergraben oder auf der Bühne nicht selten einen Traum. Sie gelten als glücklich, dürfen sie doch ihr ganzes Leben musizieren, also das machen, was ihnen am meisten Spaß und Freude bereitet. Sie fahren in der Welt herum, haben die Chance, vor vielen Menschen aufzutreten, werden gefeiert – was kann es Schöneres geben?
Doch der Schein trügt, das Bild ist verzerrt: Klassische Musiker haben häufiger gesundheitliche Probleme als der Normalbürger, psychische Erkrankungen eingeschlossen. Laut einiger Studien führt dieser Traum bei bis zu 80 Prozent von ihnen zu Erkrankungen. Das Musizieren gehört damit zu den körperlich ruinösesten Berufen überhaupt. Viele Versicherer stufen Profimusiker als Risikoklienten ein, da die Berufsgruppe als besonders gefährdet gilt, vorzeitig aus dem Berufsleben auszusteigen.
Aus ärztlicher Sicht verwundert das nicht, gleicht doch die Arbeit von Berufsmusikern eher der von Hochleistungssportlern als von Künstlern. Tagtäglich heißt es üben, üben, üben. Den Körper eines Musikers strapaziert das ähnlich wie den von Sportlern auf höchstem Niveau. Viele Stunden musizieren sie unter erheblicher körperlicher und emotionaler Anspannung, sitzen dabei oft auf engstem Raum zusammen. Dazu kommt, dass Orchestermusiker kaum kreativ sein dürfen. »Die Kompositionen von Beethoven, Mozart oder Vivaldi lassen der Individualität von Streichern, Bläsern und Paukisten wenig Raum«, sagt Psychiater Bandelow. »Mögliche Nuancen oder Interpretationen werden vom Dirigenten vorgegeben.«
So findet man auch unter den klassischen Musikern gehäuft Menschen mit psychischen Problemen. Und genau wie im normalen Leben werden sie auch im Orchestergraben lieber verschwiegen. Meist äußern sich die Beschwerden ohnehin in körperlichen Signalen. Streitigkeiten mit dem Pultnachbarn zur Linken machen auf dem herzseitigen Ohr taub. Ein Konzertmeister, dessen Kompetenz man anzweifelt, löst Migräneanfälle aus. Körperliche Beschwerden wiederum lasten vermehrt auf der Seele. Fällt ein Violinist wegen einer Sehnenscheidenentzündung oder Herzrhythmusstörungen aus, wird ihm das schlaflose Nächte bereiten. Denn er könnte seinen Stammplatz verlieren oder die nächste Tournee verpassen. Der hohe Anspruch an sich selbst, der
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