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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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bis in den Wald hinaus und bevor er die verzierte Torte mit den vier Kerzen bemerkte.
    (Nachher fragte ich Charley: »Warum ausgerechnet vier?« Und er sagte: »Wie alt ist er denn? Dreiunddreißig? Wo können wir hier dreiunddreißig Kerzen auftreiben? Vier wirken so – wie heißt das nur?« – »Symmetrisch.« – »Ja, symmetrisch. Wie schön ist es, gebildet zu sein!«)
    Dann bemerkte Harry den Girlandenschmuck aus dem gefransten Wachspapier unserer Keksdosen, von Charley geschickt gebastelt und mit ein paar Flaggen geschmückt. Es gab nämlich einige in unserm Camp, die ihre zerfetzten Staatsfarben heimlich hüteten, nur der Polizei verrieten sie nie ihre Nationalität. Harry berührte mit dem Zeigefinger die Sardinen auf seinem Teller, sah mich erstaunt an – ich saß ihm gegenüber – und fragte: »Was soll das?«
    »Du hast doch heute Geburtstag.«
    »Nein.«
    »Auch gut. Vielleicht hat deine Großmutter Geburtstag? Vielleicht steht der Mond gerade im Sternbild des Skorpions, wer weiß?«
    »Was noch?«
    »Mehr weiß ich nicht.«
    »So?«
    »Harry, es ist ein Zeichen der Zuneigung.«
    »Was noch?«
    »… der freudigen Erwartung vielleicht.«
    »Erwartung?«
    »Ja, Harry. Du kannst es dir genauso gut denken wie ich.« Er sah mich weiterhin fest an. »Wäre ich nicht hungrig, säße ich nicht hier«, fügte ich verlegen hinzu. (Und durstig war ich erst recht! Welch scheußlichen Whisky – er schmeckte nach DDT – hatte mir Charley hingestellt.)
    »Ach so«, sagte Harry trocken.
    »Müssen wir uns denn rechtfertigen, wenn wir eine Party haben?« rief Leo herüber.
    »Es hängt davon ab, was ihr für euch dabei herausholen wollt«, sagte Harry.
    Neugierig blickte ich im vollbesetzten Speiseraum umher. So viele Rassen gab es da – Gesichter, so unpersönlich wie auf Spielkarten –, Spanier, Amerikaner, Deutsche … Man unterschied sie gar nicht mehr nach dem Aussehen, erkannte sie nur an ihrem Tonfall als Spanier, als Amerikaner, als Deutsche. Und nun blickten alle gespannt auf Harry. Ein Monteur, ein vierschrötiger Ire, Barney hieß er – einer von den wenigen, der für mich einen Namen hatte, wie ein Hund ein Halsband hat –, fingerte gewichtig an einem Blatt Papier. Was das wohl sein mochte? dachte ich beunruhigt.
     
    Barney erhob sich. Ich dachte: Aha, jetzt bekommen wir eine Rede mit dicken Schmeicheleien, süß wie Sirup.
    Doch Barney sagte bloß: »Harry!« Seine Stimme klang belegt. Er breitete die Arme aus wie ein Prophet, den der göttliche Geist überkommt. »Harry!« sagte er nochmals. »Ach, Harry, was soll das Reden! Wir haben einen Narren unter uns«, sagte er. Es klang wie aus der Bibel. Natürlich meinte er Charley.
    Harry sah Barney schräg an und sagte nichts.
    »Eigentlich wollte ich eine Rede schwingen, dich eine Viertelstunde lang anschwätzen, ein bißchen Lachen, ein bißchen Spaß sollten auch dabeisein. Vielleicht hätte es dir gefallen?« Doch in Harrys Gesicht ermunterte ihn nichts. »Nein? Nun, wenn du nicht bei Laune bist«, fuhr Barney seufzend fort, »werden wir gleich auf den Kern der Sache zu sprechen kommen, ungern zwar.«
    Er machte eine Pause. Ob er es nun doch sagen wird? fragte ich mich. Da begann er: »Harry, alter Junge, deine Kinder verschmachten!« (Kinder!) »Du hast eine traurige, kranke Brut. Wir gehen zugrunde, so einsam sind wir.« Und damit Harry ihn ganz sicher verstehe, sagte er schmatzend: »Nur die Hand einer Frau lindert das Fieber des Kranken.«
    Mit einem Seitenblick auf Harry sagte Luke gequält: »Aber Barney!«
    Harry berührte mit dem Zeigefinger wieder seinen Teller. Ich überlegte im stillen, ob es auffallen würde, wenn ich aufstünde und ginge.
    Unbeirrt fuhr Barney fort: »Wir haben eine Bittschrift aufgesetzt.« So, das war’s also, das Blatt Papier vor ihm. »Hier ist sie. Alle haben unterschrieben, nur einer nicht.« Mitleidig sah er auf mich, anscheinend war ich gemeint. Bin ich denn schon so senil? dachte ich gereizt. Barney legte das Blatt vor Harry hin, feierlich wie einen Vertrag.
    Harry ließ es unbeachtet neben dem Teller liegen.
    »Harry!« sagte Barney.
    Keine Antwort.
    »Harry!« wiederholte Barney. »Alle, außer einem, haben unterschrieben.« Unsicher geworden, wartete er, daß Harry etwas sage, beklommen wie ein Handlungsreisender, dessen Ware vor den Augen des Käufers auseinanderfällt. Bald jedoch gewann er wieder Zuversicht. »Ein Aufschrei des Herzens«, sagte er.
    Ich wünschte mir, seinen Blick auffangen zu

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