Maenner wie Tiger
hier ist sicher abscheulich.« (Auch teuer, sagte ich mir.) »Vielleicht ein Glas Wein?«
»Sie sind so freundlich, Senhor!«
»Ich bin ein alter Mann. Man muß sich mit Gott gut stellen, solange noch Zeit ist.« Sie hielt es für einen Scherz und kicherte. Das Fleisch auf ihrem Nacken bildete zitternde Wellen, als schüttelte man Gelee. Ich deutete dem patrón , noch eine Flasche Wein zu bringen. Mit saurer Miene stellte er sie auf den Tisch. Wie er die Fette ansieht! dachte ich. Ihre Angst ist nicht unbegründet, heute abend noch wird er ihr den Tritt versetzen. Man soll sie nicht noch mehr entmutigen … Ich füllte ihr Glas. »Salud! « prostete ich ihr zu.
»Salud!«
»Mir hat Ihre Darbietung gefallen.« Ich wollte Harry hochnehmen. Schließlich: Was kostet es schon, eine dicke, unglückliche Frau ein wenig zu erheitern?
»Sie sind offensichtlich ein Mann mit Geschmack.«
Vergnügt rekelte sie sich auf ihrem Stuhl, den ihre Flanken überspülten. Die Saiten der Gitarre erklangen mißtönend. (Ich dachte: Wird nun endlich einer dieses monströse Instrument aus dem Weg räumen? Es war fast so groß wie eine Harfe.) Sie stieß es mutlos unter den Tisch, von wo es Miguel verlegen hervorzog und hinter sich an seinen Stuhl lehnte. Alle anderen beobachteten den Vorgang gespannter noch als die Darbietung vorher. »Es wäre bequemer gewesen, hätte ich Mundharmonika spielen gelernt«, sagte sie laut lachend, wobei ihr das Haar über das nasse Gesicht fiel.
Sie fühlte sich bereits besser. Endlich einmal war einer nett zu ihr gewesen. Wie lange wohl mochte es her sein, daß ihr ein Kavalier etwas zu trinken gekauft hatte?
Ich bemerkte, wie sie Harry verstohlen beobachtete. Er hatte sich abgewendet. Mir scheint, es ist ihm übel, dachte ich. »Sind Sie der Senhor Boß?« begann sie zaghaft, als fürchtete sie sich vor ihm.
»Was?«
»Ihr Mitarbeiter, Senhor Charley …«
»So hat er sich genannt?«
»Ist er es denn nicht?«
»Koch ist er und Barmann!«
Was sie hörte, verwirrte sie noch mehr. »Aber er verhandelte doch in Ihrem Auftrag mit mir? Er sagte mir, Sie wollten mich und meine lieben Töchter unbedingt kennenlernen …«
»Das hat er wirklich behauptet?«
»Hätte er es nicht tun sollen?«
Harry sah Charley scharf an. »Das wird er schon sehen, wenn ich ihn wieder im Camp habe.«
»Ich hoffe, unsere Darbietung hat auch Sie beeindruckt.«
»Ich bin nur hereingekommen, um etwas zu trinken.«
»Wir brachten echte Volkskunst.«
Harry reagierte nur mit einem verärgerten Laut.
Verzweifelt fuhr die Fette fort: »Meine Mutter, Gott hab’ sie selig, war un gitano de Andalucia. «
Sie tupfte sich ab mit einem Sacktuch, das nachher rot und schwarz verschmiert war. Ihre Gesichtsfarbe blieb beunruhigend blau. Atemlos keuchte sie, als wäre sie lange gelaufen. Wie Charley dachte auch ich: Es wird nicht mehr lange dauern, bis dieses überforderte Herz kaputtgeht.
»Es ist sehr stickig hier«, sagte sie mühsam.
»Fühlen Sie sich nicht wohl?«
»Es schmerzt ein wenig, da, ganz drinnen.« Sie legte die Hand auf ihren riesigen Busen und versuchte zu lächeln. »Ich bekomme so schwer Luft.«
»Möchten Sie lieber draußen sitzen?«
»Nein, danke«, wehrte sie stirnrunzelnd ab. »Ich muß hier auf die Mädchen warten. Es täte nicht gut, sie auch nur einen Moment in einem solchen Lokal allein zu lassen.«
Charley bekam einen lüsternen Ausdruck. Die Mädchen nämlich näherten sich unserm Tisch, ruhig und unauffällig, ohne Schminke, jede in einem losen schlafrockartigem Kleid. Abwehrbereit stellten sie sich hinter ihre Mutter. Verzückt wandte sie sich ihnen zu, als wollte sie sie umarmen – wenn es ihr möglich gewesen wäre, vom Stuhl hochzukommen. So sagte sie nur: »Meine lieben Kinder!« Und dann sagte sie etwas schrecklich Banales:
»Meine drei Augäpfel!«
Ich hörte Harry etwas vor sich hinmurmeln.
»Das ist Dolores!« verkündete die Fette, tappte suchend nach hinten und faßte die Älteste am Schenkel. (Den fand ihre Hand zuerst. War es symbolisch?) Der Blick des Mädchens streifte mich, ging weiter zu Charley, hielt augenblickslang inne bei Miguel, dem hübschen Jungen, zuletzt ruhte er frostig auf Harry. Die Fette fuhr fort: »Das ist Caterina, und das da ist Carmen. Ich weiß nicht, wieso ich es verdiene, so viel Freude an ihnen zu haben!«
Harry sagte zu mir: »Gehen wir!«
Diese kalte Gringo-Arroganz! Aber: War sie wirklich so kalt? Er machte mich ganz kribbelig mit seiner Art, die
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