Maenner wie Tiger
Mädchen anzusehen, aus den Augenwinkeln, wie ein Arzt, der verdorbene Lebensmittel für ungenießbar erklärt.
»Kannst du mich nicht meinen Wein austrinken lassen?«
»Es stinkt hier.«
»Auch draußen ist’s kein Rosengarten.«
Ich sah Dolores flüchtig auf Harry blicken, ich hörte sie ihrer Mutter spanisch zuflüstern: »Was ist das für ein brutaler Mensch?«
»Sei leise, Kind, er könnte dich verstehen«, sagte die Fette beunruhigt.
»Und wenn schon.«
»Laß mich mit ihm verhandeln!«
»Aber dann rasch, Mama! Er mag uns nicht. Wir vergeuden nur unsere Zeit.«
»Nein, nein«, versuchte sich die Fette einzureden. »Dieser Zwerg da mit dem Steinauge« – sie meinte Charley – »behauptet, er möchte uns unbedingt engagieren. Wahrscheinlich setzt er nur ein so böses Gesicht auf, damit er uns so billig wie möglich bekommt.«
»Lassen Sie sich von diesem Narren nicht verleiten!« sagte ich der Fetten und zeigte auf Charley. »Er hat keine Vollmacht. Der Senhor, der für das Camp verantwortlich ist, denkt nicht daran, Sie zu engagieren.«
»Warum?«
»Sein Entschluß ist unwiderruflich.«
»Gefiel ihm unsere Darbietung nicht?«
»Es handelt sich nicht darum …«
Sie wollte es nicht wahrhaben. Angstvoll begann sie loszuplappern: »Wir haben andere Lieder, andere Tänze …«
»Ich sagte Ihnen schon, es handelt sich nicht darum.«
»Wir sind nicht teuer, auch bei einem kurzen Engagement nicht, wir könnten besonders günstige Bedingungen bieten, wir …«
»Mama!« unterbrach sie Dolores. »Der Senhor freut sich offenbar über unsere mißliche Lage. Demütige dich nicht!«
»Besser gedemütigt als hungrig!« schrillte Mama.
»Wir sind bis jetzt nicht verhungert.«
Da hörte ich Harry leise sagen: »Nein, das sind Sie nicht.« Er nahm sich Dolores aufs Korn: Sein Blick streifte über ihr Baumwollfähnchen nach oben – an der Brust war es aufgegangen. Sie schloß es, stirnrunzelnd und unerwartet sittsam. »Und ich glaube nicht, daß Sie je verhungern werden«, fuhr Harry fort.
»Was haben Sie gegen uns?«
»Was soll ich schon haben?«
»Sind Sie hergekommen, um uns zu verspotten?«
»Ich wußte ja nicht, daß Sie hier sind«, sagte Harry. »Lege auch keinen Wert auf Sie«, brummte er, aber das konnte nur ich hören.
»Warum also sind Sie so verärgert?«
»Darüber können Sie sich den Kopf zerbrechen!«
Harry stieß mich hart in die Seite, als wäre ich verantwortlich. »Heb deinen Hintern, verdammt noch mal! Können wir nicht endlich gehen? Wir sind schon zu lange hier.«
»Bleiben Sie, Senhor!« rief die Fette und umklammerte angstvoll Harrys Hand. Ihr Busen hob und senkte sich, sie atmete hörbar – als wäre dort drinnen, in einem Tunnel, eine kleine Lokomotive, die pfiff. »Sie wissen nicht, was es für uns bedeutet …«
Von Harry kam ein Laut des Widerwillens.
Ich versuchte, die Fette abzubringen. »Es nützt nichts, Senhora!«
»Den Mädchen zuliebe«, murmelte sie, »sie sind so schön!« Das Mädchen warf ihr einen verächtlichen Blick zu. Das Kleid war wieder aufgegangen, wieder an der Brust, diesmal aber bemühte sie sich nicht, es zu schließen, sah nur feindlich auf Harry. »Hat Dolores Sie beleidigt?« fragte mich die Fette.
»Nein, nein«, beruhigte ich sie.
»Im Namen unseres süßen Jesus, haben Sie ein Einsehen!«
Ich beobachtete die Männer in der Taverne und dachte: Das kann kritisch werden. Sie lauschten aufmerksam, lauschten gespannt. Ich hätte zehn Minuten früher das Weite suchen sollen. Da deutete Harry mit scharfer Geste: Schluß jetzt!
Ich sagte der Fetten: »Der Senhor ist für das Camp verantwortlich. Er will die Mädchen nicht dort haben.«
Mit der Empörung einer beschimpften Mutter schrie sie auf: »Will er sie beleidigen? Glaubt er denn, die Männer wüßten sie nicht zu schätzen?«
Meinte sie es zynisch?
»Im Gegenteil«, sagte ich, »darin läge vielleicht die Schwierigkeit.«
»Er ist uns etwas schuldig«, klagte sie und lehnte sich vor, an mir vorbei, um mit einem letzten Flattern ihrer Hände Harry zu fassen. Ich konnte ihr Gesicht riechen. Ihre Augen standen voll Wasser, ich glaubte, sie würden in Tränen überlaufen. »Er war es, der hier störte!« schrie sie anklagend. »Der patrón wird uns heute noch auszahlen.«
»Sei still, Mama!« unterbrach sie Dolores. Ihre Schwestern wirkten verschreckt. »Ihr Begleiter«, sagte sie zu mir, wobei sie Harry ansah, »hat einen unpassenden Humor.« Wahrscheinlich war sie so zynisch wie
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