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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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schon schwer genug, sich über Wasser zu halten. Denken Sie jetzt nach, Senhor Harry?« Fragend schaute Charley in Harrys Gesicht. »Straßenmädchen werden sie! In diesem Kaff gibt’s kein Geld. Ja, Straßenmädchen! Sie werden auseinandergerissen, eine dahin, die andere dorthin – der Metzger, dieser Säufer, wird sich eine nehmen, der Polizist die zweite. Und wenn Sie in einem halben Jahr wiederkommen und die Mädchen sehen, dann wird Ihnen grausen.«
    Harry sagte nichts. Ich war neugierig, ob Charleys Argumente – sie waren zwar löchrig – durch seinen Panzer gedrungen waren.
    »Nie und nimmer!« stieß Harry hervor. Barsch rief er nach dem patrón, ihm noch ein Bier zu bringen, und ließ eine Handvoll Münzen auf den Tisch klirren, als wollte er damit zeigen, daß das Gespräch für ihn beendet sei.
    Da bemerkte ich, daß Miguel in den Patio herausgekommen war. Er hatte alles gehört. Sein hübsches Gesicht, so empfänglich für Eindrücke, sah blaß aus.
    Ich dachte: Der ist bestimmt nicht dafür, daß sie Straßenmädchen werden.
    Charley platzte gönnerhaft hervor: »Und das Komische an der Sache ist, daß Sie, Senhor Harry, wenn Sie nur einen Funken Mitleid hätten, den Mädchen so viel Gutes tun könnten.«
    »Ich könnte ihnen Gutes tun?«
    »Senhor Harry, wir wollen nicht zimperlich sein! Wir sind Männer und keine Heiligen.« Er war keiner und würde nie einer sein. Käme er der Himmelstür nahe, würden die Heiligen voll Abscheu zurückweichen, sollte er den Saum ihrer Gewänder zu berühren wagen.
    Aber Charley war schrecklich ernst und meinte es ernst, was er sagte, jedes Wort.
    »Im Camp hungern die Männer nach Liebe. Und Liebe ist lebenswichtig wie Brot. Sie haben viel Geld, Löhne und Gehälter, die sie nicht ausgeben können. Und wie großzügig sie sind! Gute Männer sind sie«, beteuerte Charley, wobei er nicht so sehr das Moralische meinte. »Nach zwei Wochen mit ein bißchen Singen und Tanzen« – und den Dienstleistungen, die Charley nicht erwähnte – »könnten die Mädchen fürs Leben gerüstet sein, könnten unabhängig und gesichert der Welt gegenüberstehen, jede mit einer Mitgift. Glauben Sie nicht, daß das gut wäre?« Charley drehte seinen Kopf, um Harry ins Gesicht sehen zu können – auf der näher liegenden Seite nämlich hatte er sein blindes Auge. Nichts zeigte sich in Harrys Miene, nur Schweiß rann ihm herab. Von Miguel kam ein merkwürdiger Laut. Auf wessen Seite er stand, Charleys oder Harrys? Wahrscheinlich stand er auf keiner, er gehörte zur Schar der Heiligen.
    Charley sagte zu Harry: »Ich weiß, Sie verachten mich.«
    »Ja.«
    »Ich bin klein und häßlich, und ein Auge nehme ich mir nachts heraus, und das Lügen kann ich nicht lassen – aber einmal, ein einzigesmal nur …«
    Der patrón brachte das Bier, und Harry wandte sich von Charley ab.
    Und Charley wußte: So kam er nicht weiter, so gelang es ihm nicht. »Die Männer im Camp werden Ihren Namen segnen, Senhor Harry«, fuhr er fort. »Zwei Fliegen auf einen Schlag. Zwei barmherzige Taten, die einander zugute kommen …«
    »Fertig jetzt?« fuhr Harry dazwischen.
    »Ich weiß. Ich verschwende meine Worte.«
    »Du verschwendest sie, seitdem du den Mund aufgemacht hast.«
    »Wollen Sie sich’s nicht doch noch überlegen?«
    »Nein.«
    »Senhor Harry …«
    »Die Mädchen kommen mir nicht ins Camp!«
    »Dann hab' ich nichts mehr zu sagen.«
    »Jetzt hab’ aber ich etwas zu sagen«, erklärte ich.
    Harry sah mich verwundert an. Charley konnte er ohne weiteres abtun, mit mir jedoch konnte er nicht so unhöflich sein.
    »Charley also hat dich nicht erweicht?« fragte ich spöttisch.
    »Bestimmt nicht.«
    »Du kennst Charley: ein Fünftel gute Absicht, drei Fünftel Begierde, ein Fünftel Lückenhirn. Aber machen wir uns nichts vor: Du bist nicht ganz aufrichtig!«
    Er sah mir fest ins Gesicht, einen Augenblick nur.
    »Wir wissen, was dein Feuer schürt, Harry. Du rennst deinem Fleisch davon wie ein Kater mit einem glühenden Schürhaken im After.« Ich sagte es und dachte: Jetzt will ich sehen, ob er mir ins Gesicht zu spucken wagt.
    Er aber sagte nur: »Schweig!« Sagte es mit matter Stimme und trank sein Bier aus, als wäre es schal, was es wahrscheinlich auch war.
    Ich schaute wieder zur andern Taverne hinüber. Die Mädchen zupften den patrón am Ärmel, bettelnd, er aber drehte sich weg. Ich sagte zu Harry: »Nicht weil ich ihretwegen mir Sorgen mache, rede ich. Sorgen gibt’s genug auf der Welt, und

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