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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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jeder soll seine selbst tragen. Doch eines muß ich dir sagen: Tu nicht so, als hätte ich Stroh im Kopf wie Charley.«
    »Das tu’ ich sowieso nicht.«
    »Warum also bringst du’s nicht hinter dich? Warum nimmst du dir nicht, was du brauchst und …«
    »Was, zum Teufel, weißt du schon, was ich brauche?«
    Ich nannte das gängige englische Wort dafür, das die Sache besser trifft als das spanische.
    »Wenn Sie so reden, Senhor Juan, muß ich gehen«, sagte Miguel seufzend.
    Ich sagte: »Auf Wiedersehen!«
    Harry schüttete den Rest des Biers auf das Steinpflaster. Der Schaum floß den Rinnstein entlang, ein Huhn roch daran.
     
    Der patrón in der Taverne drüben hatte die Mädchen stehenlassen. Es gab nur mehr wenige Gäste. Er begann das Licht auszublasen. Caterina und Carmen packten ihre Bündel und warteten auf Dolores, sie hinauszuführen.
    Ich deutete hinüber, um Harrys Augen hinzulenken. »Sie ist jung. Sie ist hübsch …«
    »Ein Luder ist sie.«
    »Aber ein trauriges. Glaubst du, sie hat sich dieses Leben ausgesucht? Der Zufall ließ sie in diese Kerbe fallen, wie einen Roulettball. Vielleicht war es die Mutter, die sie hineinstieß.«
    Sie kam zu unserm Tisch herüber, hinter ihr die Schwestern. Die Spannkraft war aus ihrem Körper gewichen. Geradewegs redete sie Harry an: »Senhor …« Die Angst, die plötzliche Demut verblüfften mich. »Senhor, bitte lassen Sie uns arbeiten!«
    »Ich habe nichts anzubieten.«
    »Senhor, bitte!« flehte sie erschöpft. »Wir haben nichts. Kein Geld. Nichts!« Da kam mir ein seltsamer Gedanke: Sie ist doch ein Mädchen mit törichtem Stolz. Hätte ihr nicht die Gitarre, die sie der Mutter in den Sarg gelegt hatte, etwas eingebracht?
    »Es ist ganz gleich, was Sie uns bezahlen. Über Bedingungen brauchen wir nicht zu verhandeln.«
    »Wir verhandeln über gar nichts«, sagte Harry und sah durch sie hindurch, sah an ihr vorbei, sah überallhin, nur nicht auf sie. Jäh erhob er sich.
    »Senhor, wollen Sie, daß wir vor Ihnen auf den Knien rutschen?«
    »Suchen Sie sich etwas anderes!«
    »Es gibt nichts anderes.«
    Er sagte scharf: »Nein!« Dann heftiger: »Nein, nein!« und stieß den Stuhl zurück. Er starrte sie an, erstmals in ihr Gesicht. Er war fast so erschöpft wie sie. Dann schrie er: »Fort mit Ihnen!«
    »Das ist gemein!« Sie hatte ihre Würde wiedergewonnen.
    »Belästigen Sie mich nicht! Ich kann Ihnen nicht helfen.« Er ging davon. Ich hörte seine raschen Schritte, und bevor ich noch ein Wort herausbrachte, hatte er sich im Dunkel verloren.
     
    Miguel teilte das Zimmer mit Harry. Er kam zu mir herüber und weckte mich. »Senhor Harry ist noch nicht zurück.«
    »Wie spät ist es?«
    »Zwei.«
    Es war ein schöner Schlaf gewesen, und es tat mir leid darum.
    »Geh wieder ins Bett, Miguel!«
    »Wo kann Senhor Harry sein?«
    Ich rieb mir das Gesicht. Es heißt, mit zunehmendem Alter wachse einem der Bart langsamer, aber ich hätte mich schon rasieren müssen. »Wo er ist? Das würdest du nicht gerne hören«, sagte ich, weil Ärger in mir aufstieg.
    »Wieso?«
    »Es ist zu kompliziert für dich. Geh ins Bett zurück!«
    »Ich werde nicht schlafen können. Ich sorg’ mich um ihn.«
    »Wüßte er’s, würde er sich freuen.«
    »Sollte man ihn nicht suchen?«
    »Nein. Ich sagte dir schon: geh ins Bett zurück!«
    Es war mir gelungen gewesen, ohne Schlafmittel einzuschlafen. Ich wartete eine Weile. Als mir gewiß wurde, keinen Schlaf mehr zu finden, stand ich auf und kleidete mich an. Ich trat ins Freie. Ein paar Lampen brannten in der Nacht, ein Kind weinte, Schlaflose flüsterten. Der Wind, der von den Bergen herunterfegte, strich kalt um mich.
    Im finstern Patio ließ mir der Schreck das Blut gerinnen: Eine Hand berührte meinen Fuß, kroch mein Bein herauf. Ein Bettler. Ob arm oder nicht, der Mensch sollte doch wenigstens Feingefühl zeigen, dachte ich.
    Ich fühlte mich elend und unbehaglich, der tappenden Hand wegen. So rasch ich konnte, querte ich den verlassenen praça do monumento und suchte nach einer bestimmten Gasse, die ruhiger ist als die anderen, weil sie, wie Schuldbeladene, etwas zu verbergen hat. Ein Bussard stieß flatternd von einem Dach herunter, krächzte rauh und ließ mich in dieser Nacht zum zweitenmal erzittern.
    Das Mondlicht veredelte die mit einer Flechte bewachsenen Dachziegel, versilberte die verfallenen Gemäuer. Nur fünf Hütten gibt es in dieser Gasse, sie haben sich aus gewerblichen Gründen zusammengetan, wie in

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