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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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schrie ich noch lauter. »Dein Banner ist jetzt nicht mehr so blütenrein!«
    Er rannte im Laufschritt, und ich trabte hinterdrein, keuchend: »Harry! Hörst du mich?«
    »Alle können dich hören.«
    »Jetzt gibt’s keine Posen mehr! Damit ist’s vorbei. Die anderen, die im Camp, sind auch nur Menschen. Sie haben ihre Rechte, ihre Menschenrechte, wie sie in der Charta der Vereinten Nationen … Warum, zum Teufel, rennst du so?«
    »Hör auf jetzt!«
    »Harry!« Jetzt hatte ich ihn, hatte ihn eingeholt, hatte ihn in eine Ecke getrieben. »Du läßt die Mädchen ins Camp kommen: Er lehnte sich an die Mauer und sah mich an. Ich dachte: Es ist nicht mehr dasselbe Gesicht. Armer Harry! Könnte ich nur aufhören, ich böser, alter Gockel! Ich schämte mich.
    Doch eigensinnig fuhr ich fort: »Besser für die Mädchen im Camp zu essen, als hier zu verhungern. Sie sind hungrig. Auch die Männer im Camp sind hungrig, anders hungrig. So ist’s zum gegenseitigen Vorteil. Charley hat recht.«
    »Der Teufel soll ihn holen!«
    »Besser die Freigebigkeit unserer Männer als die stinkende Gosse hier. Die Sache ist zweckmäßig. Wir haben hier lateinamerikanische Moral, keine Gringo-Moral. Es ist eine böse Welt, aber wir haben sie nicht gemacht. Jetzt müssen wir mit ihr zu Rande kommen.«
    Keine Antwort.
    »Also?«
    Noch immer keine Antwort.
    »Sollen sie hier verhungern? Willst du das wirklich?«
    »Nein.« Es klang sehr ruhig.
    »Du wirst sie also kommen lassen?«
    Wieder keine Antwort.
    »Harry!«
    Geschlagen, so daß ich ihn kaum hören konnte, sagte er: »Also gut.« Und ich sah, wie der Schweiß sein Gesicht gläsern überzog, und fühlte mich elender als zuvor. Ein Sieg war es nicht.

Sechstes Kapitel
    Wir waren bei Morgengrauen fertig und bereit, ins Camp zurückzufliegen, nur der Priester war es nicht: Johannes der Täufer von San Juacinta, dieser strenge, gequälte Pater Luis im härenen Hemd. Wir mußten warten, indes er in seiner brüchigen, übelriechenden Höhle von einer Kirche Gott diente.
    Miguel war mit dem Lastwagen losgefahren, den Priester abzuholen. Er kam zur Taverne zurück und meldete gottergeben: »Er hält die heilige Messe.«
    »Sagte er dir, wie lange er brauchen wird?« fragte Harry.
    »Nein. Nur, daß man nicht hinter Gott steht und ihn mit der Uhr in der Hand antreibt.«
    Charley hatte sich aufgemacht, die Mädchen zu suchen. Wir saßen einstweilen in der Taverne, tranken einen miserablen Kaffee, der patrón verscheuchte schreiend des Nachbarn Hühner, sein Weib haßte uns im stillen wegen des zerschlagenen Fensters. Wir bemerkten, daß sie plötzlich aufsah und mit funkelnden Augen auf die Mädchen starrte, die nun im Patio mit ihren verschnürten Bündeln und der Gitarre verloren herumstanden. (Dolores hatte es sich also doch noch überlegt und die Gitarre aus dem Sarg genommen.) Anscheinend hatte sie die unerwartete Tat der Barmherzigkeit verwirrt. Ich fragte mich, in welchem finsteren Torweg sie geschlafen haben mochten.
    Sie fürchteten sich, die Taverne zu betreten. Mit der patróna hätte es sicher einen Kampf gesetzt.
    Ohne die Mädchen anzusehen, sagte Harry zu Miguel: »Laß sie aufsitzen!« Seine Stimme klang flach.
    Sie kletterten auf die Ladefläche. Dort saßen sie auf einem Brett, zu einer Traube verwachsen, und sahen uns schüchtern an, als wir nun ebenfalls zustiegen. Harry setzte sich ans Lenkrad. Wir ratterten davon, und Charley flüsterte mir aufgeregt ins Ohr: »Was ist geschehen?«
    »Laß mich in Ruh’! Wir sind so zeitig dran, ich bin noch ganz durcheinander.«
    »Was brachte ihn dazu, sich anders zu besinnen?«
    »Warum fragst du ihn nicht selbst?«
    »Er würde mich …«
    »… schlagen«, ergänzte ich spöttisch. »Du Idiot mußt deine Nase in alles hineinstecken. Wenn Harry dich nicht schlägt, schlage ich dich, früher oder später, darauf kannst du Gift nehmen.«
    Staub umwölkte die Startbahn. Von den Bergen her wehte hier ständig ein starker Wind. Miguel fegte Sand von den Tragflächen, vom Schild der Kanzel und prüfte die Motoren. Harry wollte mit den Mädchen nicht sprechen, deshalb gab er mir ein Zeichen. Ich sagte ihnen freundlich: »Steigen Sie ein!« Dolores zögerte, Caterina und Carmen duckten sich vor Angst. Verständlich. Sie waren noch nie geflogen. Da sagte Dolores: »Kommt!« und führte sie an wie ein Korporal. Sie krochen hinein und ließen sich im Heck nieder, dort, wohin Miguel gezeigt hatte.
    Und nun warteten wir, mit knirschenden Motoren, auf

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