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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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mittelalterlichen Städten die Bäcker oder die Steinmetzen oder die Pantoffelmacher. Über die Handelsware kann hier niemand im unklaren sein: Im Fenster einer jeden Hütte blüht eine Lampe, karminrot wie eine Rose.
    Totenstill war es. Geschlechtsgenuß ist ein ruhiges Geschäft. Die Türen der Hütten blieben immer unversperrt. Gibt es Krawall, dann macht die Polizei, in derlei Dingen erfahren, kurzen Prozeß: Sie dringt ein.
    Ich berührte die erste Tür, sie flog auf. »Harry!« rief ich, versuchsweise sozusagen, und eine Frauenstimme antwortete dienstbereit: »Senhor?« Ich ging weiter.
    In den nächsten drei Hütten erstarben beim Klang meiner Stimme die aufreizenden leisen Geräusche, wie Insekten, die sich verkriechen. In der fünften Hütte herrschte Stille. Es war jemand drinnen, ich hörte nämlich ein Bett knarren, dann eine Frau »Sogleich, Senhor«, flüstern und nach einer Weile eine mir bekannte Stimme:
    »Juan?«
    »Komm heraus!«
    »Ist etwas geschehen?«
    »Nein, nichts. Es ist spät. Ich sorgte mich. Ich wußte nicht, wo du bist.«
    »Jetzt weißt du’s.«
    »Ja. Bist du fertig?«
    Das Weib lachte leise. Harry sagte: »Ja.«
    »Ich warte hier.«
    Einladend sagte sie mir: »Está usted en so casa« , was soviel heißt wie: »Machen Sie sich’s bequem.« Und ich sagte: »M uchas gracias por su amable invitación« , und dachte: Nein, danke schön, bin weder imstande noch gelaunt.
    Harry kam heraus. Er sah mich nicht an. Er fröstelte. »Es ist kalt.«
    »Für mich ist’s noch kälter«, sagte ich.
    »So?«
    »Ich stieg aus einem warmen Bett.«
    »Warum sagst du’s nicht?« fragte er.
    »Was soll ich sagen?«
    »Daß du vor Neugierde platzt.«
    »Ich sag’ dir, daß du ein Lump bist! Wen hast du betrogen? Doch nur dich selbst!«
    »Das stimmt.« Er grinste humorlos.
    »Halt lieber dein Maul! Ich bin fuchsteufelswild! Zum erstenmal seit einer Woche hab’ ich gut geschlafen.«
    Wir überquerten den praça do monumento , Harry vor mir, schweigend, ich hintennach, ihn mit gnadenlosem Blick heimlich beobachtend. Ich dachte: Wahrscheinlich hat er’s nicht einmal genossen. Nur das Fleisch und die Drüsen – und wie sie uns verleiten! – sind es, die uns innerlich spalten.
    Nach einer Weile sagte er mit belegter Stimme: »Du brauchst mich nicht zu bevormunden, Juan!«
    »Lassen wir das!«
    Er sah mich an. »Was macht dich so wütend?«
    »Nun, was wohl?«
    »Es tut mir leid.«
    »Haha, es tut mir leid!« spottete ich ihm nach. »Das ist gut gesagt. Das freut alle! Und doppelt freut es die armen Kerle im Camp, die darben müssen!«
    Die Augen zu Boden gesenkt, schritt er weiter.
    »Wie nur kann man so etwas tun!« sagte ich vorwurfsvoll.
    »Du hast recht.« Ich glaubte, ihn seufzen zu hören, ganz leise nur. »Wie nur kann man so etwas tun!«
    »Der Boß schleicht sich davon, um vom besten Tisch zu naschen. Und die Männer im Camp, die können verhungern.«
    Eine magere Hand schoß aus einem schwarzen Torweg hervor, eine alte Frau stöhnte. In den Gassen gab es mehr Bettler als streunende Katzen. Harry hielt inne und ließ ein paar Münzen in die vorgestreckte Hand fallen.
    Verärgert fragte ich: »Warum gibst du ihr so viel?«
    Er schüttelte den Kopf und sagte nichts.
    »Dein Gewissen zu beruhigen?«
    »Jetzt ist’s genug, Juan!«
    »Du verdirbst den Markt.«
    »Komm weiter, rasch!«
    »Hast recht. Miguel sorgt sich um dich. Er konnte nicht schlafen.«
    »Das ist mir egal. Komm jetzt!«
    »Soll ich ihm sagen, wo du warst?«
    Er zuckte die Achseln und schob mit großen Schritten weiter. »Nun, auch gut. Aber denk daran: Du wirst dich jetzt weniger scheinheilig geben, ja?«
    Seine Augen schnellten in meine Richtung.
    »Es war doch das erstemal, nicht wahr, Harry?«
    Wieder zuckte er bloß die Achseln.
    »Trotz deiner vielen Flüge nach San Juacinta war’s das erstemal! Und warum? Du weißt es nicht? Du weißt es genau! Dolores! Das Mädchen reizt dich, setzt deinen Saft in Wallung – aber sie und ihre Schwestern, die sind unberührbar, und da holst du dir’s von irgendeiner namenlosen Hure. Antworte mir! Sag ja oder nein!«
    Er sagte nichts.
    »Was, zum Teufel, ist mit dir?« schrie ich. Er beschleunigte seine Schritte, um mich abzuschütteln. Das sollte ihm nicht so leicht gelingen! Ich folgte ihm mit meiner Stimme, vorwurfsvoll, gereizt wie eine alte Klapperschlange, deren verschrumpfter Schwanz noch rasseln kann. »Keine Frauen kommen mir ins Camp – ist das noch immer dein Schlachtruf?«

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