Maenner wie Tiger
dann ließ einer das Horn ertönen, das sonst den Schichtwechsel anzeigt, ließ es schmettern wie verrückt. Ich überlegte, wer von den Männern es war, denn Harry würde ihm den Hals umdrehen.
Es war das Signal für Feierabend. Hinter Barackenfenstern tauchten Gesichter auf, Leo und Luke traten aus der Veranda des Rockefeller-Hotels, um nachzuschauen, was los sei, und die Bohrarbeiter kletterten eilig vom Bohrturm herab. Dann standen sie alle da, etwa fünfzig von den fünfundsechzig Männern des Camps standen in der Sonne in einem großen Kreis, uns zu begrüßen. Befremdet sahen die Mädchen auf sie. Und da wünschte ich, ich hätte Harry nicht bedrängt. Und ich sagte mir im stillen: Wann werde ich endlich lernen, mich nur um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern?
»Was soll das?« fragte Pater Luis und ergriff meinen Arm.
Ich wollte zu Luke und Leo hinüber, aber er ließ mich nicht los. Er stand, an mich festgehakt, in der sengenden Sonne, den Saum seiner Soutane im Staub, und hielt krampfhaft sein Einkaufsnetz und seinen Behälter mit den Meßgeräten: wie ein Einwanderer, der in einer fremden Stadt abgestellt wurde. Er starrte streng auf den sichtlich fröhlichen Kreis der Männer, auf den hohen, befremdenden Turm und hörte das Horn schmettern. Ein Laut des Unwillens erklang in seiner Kehle. »So habe ich es mir nicht vorgestellt«, sagte er.
Ich sah, wie er sich zurechtzufinden versuchte: Nach dem eintönigen Dasein in einem südamerikanischen Kaff fand er sich plötzlich in einen geschäftigen winzigen Ameisenhaufen inmitten des Dschungels versetzt, mit Stahlhelme.!, Overalls und tropfendem Männerschweiß.
Die Mädchen standen noch immer auf demselben Fleck, unsicher, zusammengedrängt wie Tiere, die sich verteidigen müssen. Sie hielten ihre verschnürten Bündel so fest an sich gepreßt, als befände sich darin alles, was ihnen kostbar war. Wie der Priester hatten sie nicht gewußt, was sie hier erwartete.
Nun gab’s keine Wahl. Friß Vogel oder stirb! Ich konnte ihm nicht helfen. Niemand hatte ihm die Pistole auf die Brust gesetzt und ihn gezwungen.
Ich zerrte nochmals, um meinen Arm freizubekommen, doch Pater Luis hielt mich weiterhin fest.
Er deutete auf die Mädchen. »Gibt es hier eine Familie, bei der sie wohnen können?«
»Wir alle sind eine einzige große, glückliche Familie«, sagte ich.
»Ich sehe, Sie wollen mich nicht verstehen.«
»Lassen Sie mich los! Mein Arm tut mir schon weh.«
»Gibt es hier eine Frau oder eine Mutter, die sich um sie kümmern kann?«
»Es ist ein Arbeiterlager. Es gibt nur Männer.«
Sein Gesicht erglühte wie Feuer. »Dann können sie nicht bleiben.«
»Aber nun sind sie hier, sind so weit geflogen. Es gibt nur dieses Camp hier.«
»Nein, sie können nicht bleiben«, wiederholte er.
»Sonst gibt’s nichts. Nur Wald.«
»Aber ich wußte nicht …«, begann er und fuchtelte wild. Da bekam ich meinen Arm frei und ging rasch davon, vorbei an Charley, den ich böse ansah.
Er beobachtete die Männer und schwitzte vor Triumph. Er hatte es erreicht! Ich hoffte, sie würden ihm den Orden geben, ich hoffte, sie würden ihm den Orden dort anstecken, wo es am meisten schmerzt.
Im Gehen sah ich noch, wie Pater Luis zu Harry zurückrannte, der mit Miguel beim Flugzeug die neue Pumpe auspackte. Ich hörte den Priester schreien: »Es gehört sich für die Mädchen nicht, wenn sie bleiben!« Und ich fragte mich: Wissen denn diese Mädchen überhaupt, was sich gehört? Und dann sah ich noch, wie Harry erst auf sie, dann auf den Priester finster blickte und so tat, als hörte er nichts, weil das Horn so schmetterte. Luke und Leo beobachteten von der Veranda die Szene. Als ich hinzutrat, sagte Leo leise: »Willkommen daheim!«
»Ich brauch ' einen Drink!«
»Meinen Glückwunsch!«
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Als wenn das kein Grund sein soll!« Er täuschte mit den Fingern ein Fernglas vor, guckte durch, zu den Mädchen hin. »Das sind ja Schönheiten!«
»Ich hab’ sie nicht ausgesucht. Ich hab’ nichts damit zu tun«, sagte mein Mund, indes mein Gewissen mir vorwarf: Du lügst!
Luke schüttelte den Kopf. »Wenn das nicht hinhaut«, sagte er ungläubig.
»Gibt mir denn niemand einen Drink?«
»Du mußt mit Harry ein schweres Stück Arbeit gehabt haben.«
»Wer behauptet das?«
»ich behaupte es. Wie ist dir das gelungen?«
»Ich sagte dir schon: Ich hab’ nichts damit zu tun.«
»Und Harry, der ließ sie einfach mitkommen? Wie
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