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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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zwar sofort!« befahl er.
    »Quartier für die jungen Damen?«
    »Schafft eure Sachen fort!«
    »Das Vorrecht, das mir als Oberingenieur zusteht, soll ich verlieren?« fragte Leo und sah Harry gespannt ins Gesicht.
    »Tu, was ich sage!«
    »Und was ist mit dir?«
    »Auch ich räume.«
    »Sag, Harry: Welche von den dreien hast du dir ausgesucht?«
    »Willst du meine Faust spüren?«
    »Gott bewahre!« rief Leo. »Trotzdem: schade um mein schönes Vorrecht!« Er schien die Situation noch immer nicht erfaßt zu haben.
    »Also gut«, sagte er nach kurzem Nachdenken, »von mir aus. Ich zeige mich demokratisch, ich ziehe zu den anderen hinüber.«
    »Mir ist’s gleich«, erklärte Luke. »Mir liegt nichts an meinem Zimmer. Ich hab’ im Lazarett drüben ein Bett. Auch eines für dich«, sagte er zu mir gewendet, »wenn wir Tomasino noch heute aus dem seinen hinauskriegen.«
    »Da sei Gott vor!« rief ich. Mir grauste.
    »Also schön, dann ein Feldbett unterm Vordach beim Eingang. Ein zweites stell’ ich für den ungestümen Priester hin.«
    Wir konnten ihn sehen, bei den Mädchen, auf die er einredete, die er bedrängte. Die Mädchen lauschten, den Blick gesenkt. Offensichtlich hatte man sie in Gottesfurcht erzogen. (Ich fragte mich, wie die Mutter dies mit ihrem früheren Gewerbe vereinbart haben mochte.) Doch schienen sie ungeduldig zu werden, besonders Dolores, die den Priester scharf ansah. Wir hörten, wie sie ihn unterbrach: »Ehrwürdiger Vater, wir müssen essen!«
    »Gott wird dafür sorgen.«
    »Bis jetzt hat er nicht ausreichend dafür gesorgt. Wissen Sie eigentlich, was es bedeutet, hungrig zu Bett gehen müssen? Nicht mehr zu haben als eine Brotrinde und ein paar Schluck sauren Weins?«
    »Ihr könnt nicht hierbleiben!«
    Das schien das Problem nicht zu lösen.
    Auch Dolores war dieser Meinung. Eigensinnig fuhr sie fort: »Wir sind Tänzerinnen, wir arbeiten.« Mit einem raschen kalten Seitenblick zu Harry hinüber fügte sie hinzu: »Der dort, der Mann mit dem eisernen Gesicht, hat recht. Ich mag ihn nicht, aber er hat recht: Wir haben einen Beruf. Wer nicht arbeitet, kann nicht leben. Ehrwürdiger Vater, Sie werden uns entschuldigen …« Dolores packte ihr Bündel und die Gitarre, gab ihren Schwestern ein Zeichen, und alle drei folgten Charley, der gewartet hatte, sie feierlich durch das Spalier der Männer zu geleiten.
     
    Unter dem Vordach fand ich später Luke, der sich dort niedergelegt hatte. Es gab hier nur gesunde Männer, die ihn kaum beanspruchten: gelegentlich eine Beule, wenn sie handgreiflich wurden, oder eine verletzte Hand, wenn einer ungeschickt mit einem Werkzeug umging. Wahrscheinlich hatte Luke seine Doktorei schon fast vergessen. Sein Pharmazeut, der Belgier Joseph Toussaint, lag auf dem für mich reservierten Feldbett. Heute sind alle so demokratisch, sagte ich mir. Ich war übelster Laune.
    »Warum verziehst du dein Gesicht?« fragte Luke.
    »Ach, heute gehen mir alle auf die Nerven.«
    Er kicherte. »Mir gehen sie immer auf die Nerven. Du mußt sie nehmen, wie sie sind.«
    »Ich brauche Schlaf.«
    »Das wird dir nicht gelingen.« Drüben im Tagraum, wo die Männer sonst ihre Freizeit verbrachten, hörte man es dröhnend hämmern. Niemand hätte bei einem solchen Krawall schlafen können, nicht einmal ich, erschöpft, wie ich war.
    »Was ist denn drüben los?«
    »Sie rüsten zum Fest. Sie bauen eine Bühne. Alles für heute abend. Wir haben talentierte junge Damen zu Besuch.«
    »Das ist natürlich arg. Ich bin todmüde.«
    »Du hast sie ja hergebracht, nicht?«
    Ich wich der Frage aus. »Wie geht es Tomasino?«
    »Der hat sich wieder bekrabbelt. Der Priester machte ihm die Hölle heiß, und jetzt ist er plötzlich gar nicht mehr aufs Sterben erpicht.«
     
    Der Abend dämmerte herein. Die Siesta des Waldes war vorbei, Lärmen hatte eingesetzt: Millionen Insekten schwirrten und summten wie eine Nähmaschine, Affen zeterten sinnlos, Vögel kreischten. Die Kulisse jedoch bildete ein Dröhnen, das dem Walde nicht zugehörte: Musik und rhythmisches Stampfen von Füßen.
    Die Fenster des Tagraums flossen über vor Licht. Leo und ich gingen hinüber, um zu schauen.
    »Wie lang dauert das schon?«
    »Eine Stunde«, sagte Leo.
    Hitze und Lärm strömten aus der Tür. Es roch nach Männern, nach zu vielen Männern für eine so kleine Baracke. Licht blendete meine Augen. Ich stand und blinzelte. Kein Platz, sich zu setzen. Das ganze Camp war versammelt. Bunte Glühbirnen hingen von der Decke.

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