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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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Merkwürdig: Es erinnerte mich an die Taverne. Freilich, die Mutter fehlte, doch Dolores saß für sie da, auf der Bühne, mit der Gitarre in der Hand. Ich sah Caterina und Carmen ihren Flamenco wirbeln. Sie waren nicht besser als in der Taverne.
    Ohrenbetäubend trommelten die Männer mit den Füßen den Takt, schwitzten vor Vergnügen, und die bunten Glühbirnen wippten dazu.
    »Ganz so wie im alten Spanien«, flüsterte mir Leo ins Ohr.
    »Nein, das ist nicht das alte Spanien. Wo ist Harry?«
    »Siehst du ihn?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    »Die Männer sind aufgeputscht«, sagte ich und dachte: Nein, es ist anders als im alten Spanien, auch anders als in der Taverne. Nie noch hatten die Mädchen ein so begeistertes Publikum gehabt. Sie glühten, sie waren glücklich – und was ihnen an Können mangelte, machten sie wett durch Tempo, Temperament und Röckeflattern. Im Dunst, der sie einhüllte, konnte man nicht bemerken, wie schäbig und zerrissen ihre Kleider waren. Es hätte auch nichts ausgemacht, den Männern, meine ich. Die nämlich waren fest entschlossen, das Vergnügen auszukosten. Dolores lachte, behielt aber Caterina und Carmen im Auge, denn auch die schlugen über die Stränge, genauso wie ihr Publikum. Schuhe stampften, Beine wirbelten, Kastagnetten klackten, die Gitarre klimperte.
    Nein, das ist wirklich nicht wie im alten Spanien, dachte ich.
    Ich sah Leo an. Er betrachtete die Mädchen mit stumpfem Blick. Ich dachte: Wo ist da Begierde?
    »Gefallen sie dir?« erkundigte ich mich.
    »Sie sind ganz gut.«
    »Dieses schwache Lob soll wohl eine vernichtende Kritik sein?«
    »Vielleicht bin ich schon darüber hinaus«, meinte er achselzuckend. Ich lachte. »Vielleicht ist mir die Konkurrenz zu zahlreich«, fuhr er fort. »Vielleicht sind die Mädchen zu jung für mich. Vielleicht werde ich zu wählerisch. Jedenfalls: Es reißt mich nicht mit.«
    Luke, der weiter vorne saß, bemerkte uns. Er kam herüber. »Mir brummt schon der Schädel«, sagte er.
    »Es ist eben ein Fest!«
    »Dafür gibt’s morgen früh schmerzende Köpfe und Aspirin pfundweise. Nun ja …« Er sah fragend auf Leo. »Warum sind nicht alle begeistert?«
    »Und du? Bist du begeistert?« wollte Leo wissen.
    Luke gähnte. (So viel wie er gähnte keiner.) »Es hat den Zauber verloren.« Jetzt redete er wie Leo. Er warf den Mädchen einen Blick zu, mitleidig, wie mir vorkam, und sagte: »Sie sind wie zahme Tauben. Ich mag kampflustige Huren.«
    »Das ist zu schade, nicht wahr?« meinte Leo.
    »Anscheinend wird mein Blut schon dünner. Ich krieg’ meine Skrupel wie andere ihre Pusteln.«
    Ich beobachtete die strahlenden Gesichter, die geschmeidigen, jungen Körper. Ich weiß nicht, weshalb ich sagte: »Es wären nette Mädchen, wenn nur …«
    »Ja, wenn nur …«, fiel mir Luke ins Wort. »Sie sind eben keine netten Mädchen. Gehen wir!«
    »Wart ein wenig!« bat Leo.
    »Interessiert es dich?«
    »Nein.«
    »Im Operationszimmer wartet eine Flasche auf mich.«
    »Kein Grund zur Eile. Die hält sich.«
    Der Lärm ließ die Baracke fast hochgehen. Die Firma hatte einen überdimensionierten Plattenspieler beigesteuert. Einer legte eine Platte auf: einen von diesen mitreißenden paraguayischen Tänzen, einen Rumba mit Harfe- und Maracá-Begleitung. Dolores’ dünne Stimme und das Klimpern der Gitarre gingen unter, nur der Rhythmus blieb, weil er gleich war. Nach einem Augenblick der Verwirrung paßten Caterina und Carmen ihre Schritte dem Rumba an, tanzten wilder und wilder, steckten Dolores an, die nun ihre Gitarre fallen ließ und mithielt. Sie stampften und stießen wie drei kleine Teufel.
    Jetzt sind sie losgelassen, dachte ich. Mir gefällt es nicht, es wird mir zu hysterisch.
    Die Männer sprangen auf und klatschten im Takt. Das war wie ein Funken auf Benzin. Sichtlich hatten die Mädchen noch nie einen solchen Erfolg gehabt. Sie kamen nun von der Bühne herunter und tanzten zwischen den Männern. Die reihten sich nach Indianerart zu einer Schlangenlinie und tanzten hinterdrein.
    Das war mir zu viel. Der Kopf schwindelte mir. Staub hob sich von den Brettern, die bunten Glühbirnen hüpften. Ich sagte mir: Nun ist’s Zeit, das Weite zu suchen, bevor noch das Dekorum über Bord geht. So ein Höllenlärm!
    Zu Leo und zu Luke murmelte ich etwas, das eine Entschuldigung sein sollte, und ging.
    Der Abend war kühl wie ein Regenschauer. Sterne leuchteten. Ich dachte: Tomasino sollte hier unter diesem Nachthimmel sterben, um die Nähe

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