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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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Männer am Fuße des Bohrturms sahen zu, und lange Zeit verging, weil er Leo die kameradschaftlichen Grüße von Jan ausrichtete und die Warnungen dazu. Es schien ein langes und war vielleicht auch ein bewegtes Lebewohl, und immer noch wünschte ich, Harry würde hören. Tu’s doch! wünschte ich, schmeiß sie ’runter.
    Was aber im Licht funkelnd herunterkam, war die Flasche. Unten zerbarst sie wie eine Granate. Dann begann Luke wieder herunterzuklettern.
    Endlos drehte er auf der Leiter die Runden, erreichte den Boden und sagte etwas zu denen, die sich dort drängten, machte eine Geste, als meinte er, es sei ohnedies alles vergeblich, bahnte sich seinen Weg durch die Menge und ging aufs Lazarett zu.
    Jan folgte ihm noch ein paar Schritte und redete leidenschaftlich auf ihn ein. Mir war es, als lachte Luke. Da blieb Jan stehen, wütend, sah ihm verwundert nach. Auch er gab nun Luke auf – wie ich.
    Luke kam unters Vordach, schnaufte vom langen Steigen, ließ sich in seinen Stuhl fallen und begann wieder heftig zu schaukeln. Er grinste starr vor sich hin. Schweiß glitzerte auf seinem Gesicht.
    »Luke!«
    »Schweig jetzt!«
    »Was sagte Harry?«
    »Nichts.«
    »Er muß doch etwas gesagt haben?«
    »Nein, er sagte nichts.«
    »Warum?«
    »Weil er nicht oben ist.«
    »Er ist nicht oben?«
    »Nein. Auch die Mädchen nicht. Auch Miguel nicht. Nur drei sind oben: Leo, Charley und unser Heiliger.«
    »Wer?«
    »Den Priester meine ich.«
    »Und Harry und die …«
    »Sind nicht oben, wie ich dir schon sagte. Sie sind auch nicht heruntergeflogen. Sie waren nämlich überhaupt nicht oben.«
    »Wo sind sie also?«
    »Da draußen irgendwo«, sagte Luke und deutete auf den Wald. »Vielleicht. Ich weiß es nicht.« Wie furchtbar mir auf einmal der Wald vorkam, still, wie er war, sogar die Vögel schienen verschreckt. »Sie warten auf den Moment, um auszureißen. Doch wohin? Ja, das weiß keiner.«
    Wir hörten sie, bevor wir sie noch sahen: Unsere beiden Bulldozer ratterten dumpf grollend hinter den Baracken hervor, rollten Seite an Seite, wie Gladiatoren, die sich in die Arena zum Kampf begeben. Nein, doch nicht, dachte ich: Sie erinnern mich eher an zwei plumpe Männer, die sieh zum Tanz aufstellen. Denn plumpe Männer keuchen genauso wie die Dieselmotoren der beiden metallenen Kolosse mit ihren rasselnden Raupen.
    Als sie sich dem Bohrturm näherten, schwenkte der eine zur Seite, und der andere folgte ihm auf der von den Raupen aufgerissenen Bahn. Da senkte der erste seine Ramme und stieß damit gegen einen Betonsockel. Es krachte und knirschte, Splitter flogen. Der Mann am Steuer prallte durch den Rückstoß nach hinten. Mir war es, als spürten meine Knochen den Aufprall. Meine Kehle war trocken, ich fürchtete mich vor Gewalt, vor persönlichem Schaden – als wäre ich bei hellichtem Tage zufällig Zeuge eines Banküberfalls.
    Hierauf drehte er in einer engen Kurve zur Seite und gab den Weg frei für den zweiten, den Bruder, der ebenfalls mit hocherhobener Ramme heranbrauste. Der traf die Hauptstütze, die auf dem Betonsockel ruhte. Für kurz klang und sang es schrill. Auch dieser rollte zur Seite, denn der erste war schon wieder hinter ihm und krachte mit aller Wucht nochmals gegen den Betonsockel. Wie eine Stimmgabel vibrierte der Bohrturm. Immer wieder griffen die beiden Bulldozer an: Einer rammte den Betonsockel, der zweite die Stütze, einmal knirschte der Beton, das anderemal sang schrill der Stahl. Auf ihren rasselnden Raupen beschrieben sie enge Kreise, wobei sie achteten, einander nicht in den Weg zu geraten. Sie waren äußerst wendig, konnten sich fast um die eigene Achse drehen.
    Einen der Fahrer erkannte ich: einen Argentinier, der D’Oro hieß. (Ich glaube, der Name hat etwas mit Gold zu tun.) Den andern, der hoch oben auf dem Metallsitz hockte, konnte ich nicht erkennen. Er hielt den Kopf immer abgewandt. Blond war er … Aber in unserm Camp gibt es mehrere Blonde, sagte ich mir. Freilich, seine Kopfform schien mir bekannt.
    Die Hand, die bis dahin mein Herz sachte geknetet hatte, griff plötzlich fester zu. Vielleicht meinte sie es freundlich, als wollte sie mir zu verstehen geben: nur keine Panik, halten wir das Herz eine Weile. Ich wollte Luke keinen hilfesuchenden Blick zuwerfen. Er redete jetzt leise mit sich selbst, hatte zu schaukeln aufgehört und saß mit seinen Hinterbacken tief drinnen im Schaukelstuhl, Kopf gesenkt, als wollte er nicht zuschauen, sah jedoch unter seinen Wimpern hervor, wie

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