Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
versuche, das Bein zu bewegen, es geht, tut aber weh. Allerdings mehr außen als im Inneren, diagnostiziere ich. Ich fahre über die Stirn und merke, dass ich mir damit jede Menge sandigen Lehm ins Gesicht geschmiert habe. Ich schiebe meine Dreiviertelhose nach oben. Abschürfung. Mira, um so etwas macht man nicht so ein Trara. Ich halte den Atem an und fische ein Steinchen aus der blutenden Wunde. Geht ja. Dann rapple ich mich auf. Den Gelenken scheint nichts passiert zu sein. Nur ein blutiges Knie. Ist mir schon öfter im Leben untergekommen. – Wie weit bin ich vom Hotel weg? Höchstens einen Kilometer. Ich klopfe, so gut das eben geht, Staub und Sand und Lehm ab und mache mich auf den Rückweg. Langsam. Mit zittrigen Beinen vorsichtig über drei Steine balancierend über den Wasserlauf.
Plötzlich Schritte. Rasche Schritte hinter meinem Rücken. Sie kommen näher. Ich drehe mich erschrocken um. – Und sehe Thomas Pauer in die Augen. Schon wieder einer, der vor mir davonläuft? Blödsinn, er läuft auf mich zu, er wohnt im Hotel und er joggt.
„Wann machen wir unser Interview?“, rufe ich.
Er bleibt nicht stehen, aber er wird ein wenig langsamer, läuft an mir vorbei. Zu schnell für mich, viel zu schnell. Vesna sollte dabei sein, die könnte mit ihm Schritt halten. Ich probiere es trotzdem, renne hinter ihm drein. Das Knie. Vielleicht habe ich mich doch mehr verletzt, als ich geglaubt habe. Es tut sauweh.
„Wie lange warten Sie da schon auf mich?“, fragt er zu mir zurück, beinahe ohne jedes Keuchen. Er ist gut in Form, muss man ihm lassen.
„Ich hatte keine Ahnung, ich war bloß spazieren und bin gestolpert.“ Gratulation. Klingt echt nach einer supertollen Journalistin auf internationalem Recherchetrip.
Er wird noch langsamer. „Haben Sie sich wehgetan?“
Ich keuche, hole auf. Mein Knie brennt wie Feuer. „Nur das Knie.“
„Soll ich Ihnen jemand schicken?“
„Nein, ich komm schon weiter. Was ist mit unserem Interview?“
Er schüttelt den Kopf. „Vorm Hotel wartet sicher schon die Meute.“
„Und im Hotel Ihre Verlegerin.“
Er grinst und trabt ganz langsam, so, dass ich keuchend und hinkend mitkann. So gelöst habe ich ihn bisher noch nie gesehen. Macht offenbar der Sauerstoff in der Früh. Oder er grinst wegen etwas ganz anderem. Wir sind hier allein. Ich bin verletzt. Was, wenn er … Quatsch. Ich bin eine fast fünfzigjährige Reporterin. Über so eine fällt man nicht her. Ich bin außerdem sicher nicht sein Typ, wenn ich an seine junge Frau und an Nicole denke. – Bei den meisten Übergriffen geht es nicht um Sex, sondern um Macht.
„Sie schauen so erschrocken, als wollte ich Ihnen etwas tun“, sagt Pauer und bleibt stehen.
Ich schnappe nach Luft und stehe neben ihm. Strategie, schnell eine Strategie. Mobiltelefon aufdrehen. Irgendjemanden anrufen, am besten …
„Also gut.“ Er sieht auf seine Laufuhr. „Ich hab meine fünfzehn Kilometer. Wir sind gleich beim Hotel. Jetzt hab ich Zeit.“
„Wo? Hier?“
Er scheint sich an meiner Unsicherheit zu weiden. Das gönnst du ihm nicht, Mira. Mobiltelefon. Ja.
„Klar. Oder wollen Sie es gemeinsam mit zehn Kollegen machen?“
Macht, darum geht es. Er hat die Übermacht. Aber nur, solange ich unsicher bin und mich fürchte. – Vielleicht ist es manchmal gut, sich zu fürchten, Mira. Ich lächle. „Wunderbar. Darf ich es mitschneiden?“ Ich ziehe mein Mobiltelefon aus der Hosentasche, stelle die Aufnahmefunktion ein.
„Viel Zeit hab ich nicht.“ Das kommt jetzt schon wieder etwas unfreundlicher.
Mich macht es sicherer. „Offenbar haben Sie bei den Ereignissen an dem besagten Abend einen Kratzer abbekommen. Am nächsten Tag bei der Pressekonferenz war er nicht mehr zu sehen. Wie gibt es das?“
Er starrt mich an. Damit hat er nicht gerechnet. War auch nicht geplant, ist mir nur so eingefallen. Wegen des blutigen Knies wahrscheinlich. Dann lächelt er. Mich kriegst du so nicht. „Wegretuschiert. Er war nicht tief. Sie wollte nicht, dass ich wie ein angeschlagener Preisboxer aussehe. – Stopp!“, ruft er sich selbst zur Ordnung. „Ich wollte nicht!“
„Farah Seifried scheint Ihnen ziemlich genau zu sagen, was Sie tun sollen und was nicht. Wie weit reicht das?“
Er sieht mich wütend an. Aber davonrennen geht wohl auch nicht. „Das können Sie schreiben: Ich habe großes Glück, eine derart kompetente und engagierte Verlegerin gefunden zu haben. Sie interessiert sich nicht bloß für die Verkaufszahlen
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