Männerfrei: Roman (German Edition)
Manhattan. Wir sind Engländerinnen. Wir tragen keine Designerklamotten– mein gesamtes Outfit ist von H&M, die Unterwäsche inbegriffen (ich trage nichts Besonderes, ich bin zu sehr abgelenkt, um mir Gedanken über mein Outfit zu machen, also kombiniere ich ein rotes Kleid mit meinem Trenchcoat und roten Schuhen und nenne das Ganze » Blinker«)–, und wenn ich ehrlich bin, sehen wir ein bisschen zu unperfekt aus, um als New Yorkerinnen durchzugehen. Hoffentlich sexy und stylish unperfekt, aber wahrscheinlich nur unperfekt. Die können das gut mit dem Glamour in den Staaten. Ich wünschte, ich könnte das auch. Was soll’s. Egal.
» Die Minetta Tavern gehört demselben Besitzer, dem auch das Pastis und das Balthazar gehören!«, erklärt Kate fröhlich, als wir in ein Taxi steigen. » MacDougal Street Ecke Minetta Lane, bitte«, sagt sie zu dem Fahrer.
Ich wechsle mit Bloomie einen Blick. Oh mein Gott, wir haben eine Reiseleiterin dabei.
» Und was gibt es da zu essen?«
» Die Minetta Tavern ist bekannt für ihre hervorragenden Steaks und ihren Black Label Burger«, zitiert Kate. Aus dem Gedächtnis. » Klassische New Yorker Küche im berühmten McNally-Ambiente.«
» Super«, entgegne ich. Während der Fahrt sehe ich aus dem Fenster. Ich liebe es, dass jede einzelne Straße hier an einem Freitagabend um acht Uhr vor Leben pulsiert. In London gibt es Viertel, in denen immer der Bär tanzt, und Viertel, in denen abends um acht die Bürgersteige hochgeklappt werden. Auch freitags. Ich verrenke meinen Hals, um jeden Laden (Die Geschäfte haben noch geöffnet! Wie schön Kapitalismus doch sein kann!), jede Bar und jedes Restaurant zu betrachten, an denen wir vorbeikommen. Überall wimmelt es von Menschen, sie gehen und reden und lachen und essen. Ich frage mich, was sie beruflich machen. Ich frage mich, wie viel eine Werbetexterin in New York verdient. Ich frage mich, wo Jakes ehemalige Wohnung ist. Nein, tu ich nicht. Ich denke überhaupt nicht an Jake.
» Ich liebe New York«, sage ich und drehe mich zu den beiden. Das war vorhersehbar.
» Wohin fahren wir?«, fragt Bloomie.
» Ins West Village, Baby«, antwortet Kate.
Bloomie und ich wechseln einen Blick. Als wir vor der Minetta Tavern anhalten, drehe ich mich lächelnd zu Kate. Wieder hat uns ihr Kontrollzwang gute Dienste geleistet. Ich war noch nie in einem Restaurant, das so göttlich und typisch für New York ist wie dieses: ein kleines, überfülltes Bistro mit schwarz-weißen Bodenfliesen in Schachbrettmuster, Malereien an den Wänden und vollbesetzten Sitznischen. Es ist chic und gemütlich zugleich, warm und kühl, und es platzt aus allen Nähten vor Gästen, die ihr Essen genießen.
» Hier sind sehr attraktive Männer«, flüstert Kate, nachdem wir bestellt haben.
» Ja?«, erwidere ich. Mir ist kein einziger Mann aufgefallen, seit wir hier sind.
» Ich bin richtig high«, meint Bloomie.
» Das ist kein Wunder. In London ist es jetzt zwei Uhr morgens«, erklärt Kate hilfreich.
» Okay«, entgegnet Bloomie. » Das reicht. Ich will ab sofort nichts mehr davon hören, wie spät es in London ist. Sonst muss ich immer an Eugene denken.« Ooh.
» Du bist aber empfindlich«, gibt Kate zurück, während eine Kellnerin riesige Teller an uns vorbeibalanciert. » Vielleicht könnte ich ja Kellnerin in New York werden«, fährt Kate verträumt fort. » Vielleicht könnte ich in einer Mansardenwohnung leben, kellnern und nebenher malen.«
» Mansardenwohnungen gibt es in Paris«, bemerkt Bloomie. Das wollte ich auch gerade sagen, aber die Worte sind in meinem Kopf stecken geblieben, irgendwo hinter den Gedanken an Jake.
» Ah«, sagt Kate.
» Was hast du eigentlich?«, erkundigt sich Bloomie und dreht sich zu mir. Ah. Die empfindliche Bloomie ist zurück. » Du hast heute den ganzen Tag kaum einen Ton gesagt.«
Nein? Kommt mir gar nicht so vor. Mein Gehirn redet ununterbrochen mit mir.
» Siehst du? Du sagst nicht einmal jetzt was. Du bist stumm wie ein Fisch.«
Ich stoße ein Räuspern aus. » Ich bin ein bisschen, äh, du weißt schon, neben der Spur. Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen.«
» Am Sonntag ist dein Geburtstag. Du hast noch kein einziges Wort darüber verloren.«
» Ich möchte nicht groß feiern, das ist alles«, kontere ich. » Du weißt, ich hasse Geburtstage. Wir tun einfach so, als wäre das ein ganz normaler Tag.«
» Hat das was mit Jake zu tun?«, fragt Bloomie.
Ja, hat es.
Nein, hat es nicht.
» Nein.«
»
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