Männerküsse: homoerotische Geschichten (German Edition)
schien, als würde ich endlich meine ersehnte Ruhe finden und mein Reich für mich behalten, bis eines Tages er vor der Pforte stand.
Er betrat meine Eingangshalle und blickte sich mit großen Augen und geöffnetem Mund um, schlich wie ein samtpfotiger Kater durch die Räume und berührte Möbel und Wände, als wären sie aus purem Gold. Ich folgte ihm auf Schritt und Tritt, klapperte mit Ritterrüstungen und stieß in der Bibliothek Bücher aus den Regalen. Zu meinem Erstaunen schien ihn genau dies zu locken, und mit wütendem Gemüt beobachtete ich, wie er den Vertrag mit seinem Namen Jordan Beaumont unterschrieb und einen Tag später mein Haus besetzte.
Viel Gepäck brachte er nicht mit, sein wichtigstes Stück war eine silberfarbene Schreibmaschine. Er stellte sie sofort auf den Tisch im Wohnraum und begann darauf zu tippen.
Ich lehnte mich ans Fenster, hinter dem das bunte Laub des Gartens den Herbst ankündigte, und betrachtete Jordan, wie er auf meinem Sofa saß und Worte aufs Papier brachte. Er war ein Schriftsteller und arbeitete so andächtig, dass er in seiner Versunkenheit die Zunge zwischen die Lippen schob und am Mundwinkel auftauchen ließ. Ich verbrachte den Vormittag damit, Jordan zu beobachten, und je länger ich in seiner Nähe verweilte, desto mehr begriff ich, dass er das schönste Geschöpf war, dem ich je begegnet war.
Sein schwarzes Haar glich dem Gefieder des Raben, den ich einst mein Haustier nannte. Das Blau seiner Augen erinnerte an die Farbe des Himmels, als die Fabriken ihn noch nicht mit ihrem Qualm verdunkelt hatten – unschuldsrein. Die Haut seines Gesichts kam den Alabasterstatuen in meinem Salon gleich. In der Poesie spricht der Dichter von der Liebe auf den ersten Blick. Ich musste einen Lidschlag länger hinsehen, bis ich sie erkannte und sie sich für immer in meine Seele pflanzte.
Jordan in meinem Haus zu wissen, bereitete mir ein Hochgefühl. Ich folgte ihm durch seine Tage, stand neben ihm, wenn er Essen bereitete, gesellte mich zu ihm, wenn er arbeitete, lugte über seine Schulter, wenn er las, und nahm auf dem Sessel neben dem Bett Platz, wenn er schlief. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir nicht gewiss, ob Jordan mich bemerkt hatte. Keinesfalls wollte ich ihn verängstigen oder den Anschein erwecken, er wäre in meinem Haus nicht sicher. Ab und an half ich ihm, wenn er etwas vermisste und auf die Schnelle nicht wiederfand; seine Schlüssel oder sein tragbares Telefon.
Es versetzte mich in Besorgnis, wenn er nachts nicht heimkam. Bis in den frühen Morgen stand ich am Fenster und erwartete seine Rückkehr. Neben der Erleichterung, ihn heil zurückzuwissen, wallte in mir eine giftige Eifersucht, nicht zu wissen wo oder mit wem er seine Stunden verbracht hatte.
Es beruhigte mich, dass wir nicht häufig Gäste bekamen. Jordans Eltern statteten kurz nach dem Einzug ihres Sohnes einen Besuch zu Kaffee und Kuchen ab. Die Mutter bediente sich des gleichen Parfüms wie Frau Lieblich und ich genoss den vertrauten, blumigen Duft. Der Vater hingegen stank nach Alkohol und seine Augen waren Spiegel des Hasses. Seinen Mund verließen Worte, die ich nicht zu wiederholen wagte. Er lernte seine Lektion, nachdem ich ihn allein auf der Toilette erwischte. Er belästigte uns seitdem nicht mehr mit seiner Anwesenheit.
Aus Gründen der Vernunft verbot ich mir den Gedanken, dass Jordan und ich ein gemeinsames Leben führen könnten. Doch die Liebe zu ihm war so gewaltig, dass ich mir bald wünschte, er wäre mit und nicht nur bei mir. Wenn Jordan schlief, konnte ich nach einer Weile nicht mehr still auf meinem Sessel sitzen. Zu beobachten war nicht ausreichend, und so wartete ich, bis er eines Abends müde von zu viel Wein unter seiner Decke lag, und nahm neben ihm, am Rand der Matratze, Platz. Ich hatte Jordan noch nie berührt und fürchtete, er würde sich in Luft auflösen, sobald ich meine Finger an ihn legte. Tief im Schlaf gefangen, hob und senkte sich seine Brust, als ich die Decke sacht von ihm streifte. Jordan schlief nackt, und obwohl ich ihn schon oft so gesehen hatte, erzitterte ich bei dem Anblick seiner unverhüllten Haut. Ich streichelte seine Schulter, anfangs nur mit Fingerspitzen, dann mit der flachen Hand. Ein zartes Lächeln überflog sein Gesicht, und ich mochte mir nicht vorstellen, an wen er wohl gerade dachte.
Ich konnte mich nicht zügeln, schob die Decke gänzlich beiseite und legte seine ganze Schönheit frei. Der Geruch von Dusch-Öl und süßem Wein war eine
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