Männerküsse: homoerotische Geschichten (German Edition)
betörende Mischung, sodass ich jeglichen Anstand vergaß und mir nahm, wonach ich mich so lange gesehnt hatte. Ich beugte mich über ihn, schloss die Augen und küsste seine Lippen, die sich anfühlten wie seidene Kissen. Mit der Zunge trennte ich sie, strich über Jordans Zähne, schmeckte Pfefferminz und traf dann seine Zunge, fruchtig vom Wein. Vergessen war die Furcht, er könnte erwachen und vor Schreck erstarren, einen Geist zu küssen. Zu unbändig war die Sehnsucht, er würde den Kuss erwidern – aber es geschah nicht. Jordan schlief tief und fest.
Mein Mund streifte seine Wangen und Stirn, ehe ich mich aufs Bett legte und mir für einen Moment die Vorstellung erlaubte, es würde immer so sein. Gemeinsam einschlafen – nebeneinander erwachen und beim Aufschlagen der Augen von Jordans Gesicht begrüßt zu werden.
Sein Penis war hart und ragte empor, als ich mit zwei Fingern die Locken seiner Schambehaarung kämmte. Sie fühlten sich rau und weich zugleich an, und als ich einatmete, roch ich die ersten Perlen seiner Lust. Wie würde ich nach dieser Versuchung je wieder ohne ihre Erfüllung auskommen können?
»Jordan«, flüsterte ich und sein Mund öffnete sich, als wenn er antworten wollte.
Es war das erste Mal, dass ich seinen Namen sprach, und ich fragte mich, wie wohl meiner klingen würde, mit seiner Stimme gesprochen. Sean .
Als wäre er meinem Ruf gefolgt, rückte er näher an mich heran. Ich umgriff sein und auch mein Glied und hielt sie aneinander. Ich begann, sie zu massieren, lauschte Jordans beschleunigtem Atmen und schauderte vor Erregung, weil seiner Kehle ein Stöhnen entwich. Ihm gefiel, was ich vollführte; es bereitete ihm Lust, und dieser Gedanke allein trieb mich bis zum Höhepunkt.
In keinem der von mir erlebten Jahrhunderte hatte ich je solch befriedigende Erlösung gespürt. Und während ich mich von meinem Rausch erholte, erlebte auch Jordan einen Orgasmus und ergoss sich stöhnend auf meinen Bauch. Sein Samen fühlte sich warm an. Ich blickte prüfend hinauf, und sah, dass er noch immer schlief. Ein letzter Kuss auf seine Wange, ehe ich ihn mit der Decke reinigte und letztendlich aufstand. Ich fühlte mich, als hätte ich selbst den Wein getrunken, und schwankte zufrieden lächelnd zu meinem Sessel.
Jordans entspanntem Atem lauschend und mein rasant klopfendes Herz spürend, fasste ich den Entschluss, dass ich mich nach 465 Jahren das erste Mal wieder sichtbar machen würde.
JORDAN
Nach jener Nacht war ich eine ganze Woche lang völlig neben der Spur. Ich war zu nichts mehr zu gebrauchen, nachdem ich den intensivsten und sinnlichsten Traum hatte, an den ich mich jemals erinnern konnte. Nicht mal als hormongestresster Teenager habe ich solche lebendigen Träume gehabt.
An Arbeiten war nicht zu denken; meine Muse hatte sich aus dem Staub gemacht und ließ sich nicht mehr blicken. Miststück . Doch meine Unruhe betraf nicht nur mein Schreiben. Es erfasste alles Mögliche: Unachtsam schnitt ich mich beim Rasieren. Meine Pfannkuchen wollten nicht mehr braun werden. Ich verwechselte beim Frühstück Zucker mit Salz. Immer wieder fand ich mich auf dem Boden wieder, wo ich Verschüttetes oder Zerbrochenes wegräumen musste. Auch stolperte ich andauernd über Teppichfalten oder Türschwellen und lief in Gedanken versunken gegen Wände.
Mein angefangenes Skript ließ ich ruhen und versuchte mich im Garten mit dem Anpflanzen von Rosenbüschen. Ich schaute mir alte Sandalen-Filme an und backte aus einer Laune heraus Kekse. Mein neues Zuhause genoss ich in all seiner Schönheit, auch wenn hier und da die alten Leitungen klapperten und dringend einer Überholung bedurften. All das gehörte zum Charme dieses Hauses, das nicht nur alt aussah, sondern auch wunderbar alt roch.
An einem Donnerstagnachmittag – ich war im Garten und versuchte ein paar Seile an einer Buche zu befestigen, damit ich eine Schaukel anbringen konnte – sah ich jemanden vor dem Haupteingang entlangschlendern. Ich wischte mir die Reste der Baumrinde mit einem Lappen von den Fingern und ging auf den Fremden zu. Er schien vollkommen abgelenkt zu sein, betrachtete neugierig das Haus von außen, und hielt dabei, wie bei einem Sonntagsspaziergang, die Hände auf dem Rücken. Ich räusperte mich. Der Mann drehte sich um, schien keinesfalls erschrocken zu sein, und blickte mich lächelnd an. Für einen Moment war ich mir sicher, dass ich ihn kennen würde. Eine Ahnung von Vertrautheit flog mir entgegen, doch ich konnte
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