Maennerschlussverkauf - Roman
Hass als Schuld. So gesehen ist das vielleicht tatsächlich ein Fortschritt? In mir keimt eine Sekunde lang Hoffnung auf. Dann betrachte ich wieder das Bild und könnte schreien.
»Dieses Arschloch!«, quietsche ich aus vollem Herzen und zerknülle die doofe Zeitung.
»Riesenarschloch!«, bestätigt Leonie.
»Riesenarsch«, stimmt auch Manuel zu. »Aber ich hab’s gleich gesagt. Das war das Kleid«, fügt er grinsend hinzu.
Genervt werfe ich ihm die zusammengeknüllte Zeitung an den Kopf und laufe ins Bad. Wahrlich – so beginnt ein ganz fabelhafter Tag.
Zu allem Übel wird er auch nicht wirklich besser. Im Sender schleiche ich vor lauter Panik, ich könnte ihr begegnen, nur mit geducktem Kopf durch die Redaktion. Erst als Leonie mir flüsternd mitteilt, dass Vanessa gar nicht da ist, sondern eine Woche Urlaub genommen hat ( WAAAAH !!! Etwa mit Tom gemeinsam???), höre ich auf, im Enten-Duck-Gang durchs Büro zu laufen. Leider kann ich nun die ganzen mitleidigen und vor allem auch ziemlich schadenfrohen Blicke sehen, die mich verfolgen. Natürlich hat jeder hier das Bild in der Zeitung gesehen, und – quelle surprise! – mein verkorkstes Liebesleben und ich sind mal wieder Thema Nummer eins in Deutschlands verrücktester Boulevardredaktion.
Nachdem ich den Arbeitstag endlich überstanden und es irgendwie sogar geschafft habe, die Sendung halbwegs professionell zu moderieren, fühle ich mich wie nach einem Marathon. Allerdings schmerzen mir nicht die Bein-, sondern die Gesichtsmuskeln. Den ganzen Tag zu lächeln und so zu tun, als könnte mir nichts etwas anhaben, obwohl man innerlich explodieren könnte, das ist wirklich kein Spaß! Die meiste Zeit hatte ich mich im Griff, aber immer mal wieder hat es mich dann doch durchzuckt. Zwischen zwei Moderationen ist mir sogar ein kurzes »Dieses Arschloch!« entwischt, aber da ich es in mich hineingemurmelt habe, hat es – glaube ich – niemand verstanden. Nur meine Schminkelfe schaute mich kurz irritiert an. Nach meinem rasch angeknipsten Mir-geht-es-gut-meine-Welt-ist-völlig-in-Ordnung-und-mit-wem-Tom-Vanderscheid-Händchen-hält-geht-mir-am-Hintern-vorbei-Lächeln war sie aber wieder beruhigt und puderte munter weiter.
Als ich nach der Sendung nach draußen laufe und Leonie auf dem Parkplatz treffe, tun mir die Kiefermuskeln höllisch weh. Statt einer Begrüßung sage ich nur kommentarlos und immer noch ungläubig: »Dieses Arschloch.«
Was sie mit einem ebenso kommentarlosen »Dieses Arschloch« quittiert.
Dann tun wir das einzig Vernünftige, was man in einer solchen Notsituation als Frau tun kann: Wir fahren in die Stadt und gehen shoppen. Da gerade Sale ist und ich kürzlich quasi aus Versehen in die Riege der Großverdiener aufgestiegen bin, artet unser kleiner abendlicher Shoppingtrip allerdings leicht aus. Okay, er artet ziemlich aus. Aber gerade als wir im Oberpollinger den Louis-Vuitton-Store ansteuern, weil ich mir vor lauter Frust eine Handtasche kaufen will, obwohl ich diese Einheitsuniform-Handtaschen, mit denen in München jede zweite Möchtegern-Fashionista rumläuft, abgrundtief verabscheue, ruft jemand hinter mir melodisch meinen Namen. Ruckartig drehen Leonie und ich die Köpfe. Auf uns zu läuft ein strahlender und fabelhaft aussehender Marco Tossi, der erst mich und dann Leonie mit italienischer Herzlichkeit, einem fabelhaft riechenden Rasierwasser und Wangenküssen begrüßt.
» Bella! Ich freue micche so, dicche zu sehe«, eröffnet Marco die Unterhaltung und strahlt dabei so umwerfend, dass ich ihm glatt glaube, dass er es auch so meint.
Keine Ahnung, was danach genau passiert, aber zehn Minuten später ist Marco wieder weg (verfolgt von einem Rattenschwanz mit Fanschals und Filzstiften bewaffneten Teenies), und ich habe ein Date für Freitagabend.
»Das ist genau das, was du jetzt brauchst!«, strahlt Leonie und schnuppert genießerisch in die Richtung, in die Marco entschwunden ist, um noch den letzten zarten Hauch seines Rasierwassers zu erhaschen.
»Nein! Was ich brauche, ist ein Anruf von Tom, dass es ihm leidtut, dass er niemals mit der Hexe hätte Händchen halten sollen, dass er mich außerdem unglaublich vermisst und wieder mit mir zusammen sein will«, antworte ich traurig. Ich mag Marco wirklich gerne, sonst hätte ich die Einladung nicht angenommen, aber ganz ehrlich, ich fühle mich nicht richtig wohl bei dem Gedanken, ein Date mit einem anderen Mann als Tom zu haben. Vor allem da ich eigentlich gar keinen anderen
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