Maennerschlussverkauf - Roman
darauf in meiner Garderobe sitze und abgeschminkt werde, kommen sogar der Vorstand und der Geschäftsführer vorbei und gratulieren mir zum gelungenen Einstand. So erleichtert, wie die beiden aussehen, waren sie heute garantiert noch nervöser als ich! Gerade als ich auf dem Parkplatz beschwingt zu Leonies Auto laufe und denke, dass ich heute einen souveränen Auftritt hingelegt habe, sehe ich einen schwarzen SUV an mir vorbeifahren. Oh. Mein. Gott. Das ist Toms Auto!!! Augenblicklich habe ich das Gefühl, dass mein Herzschlag aussetzt, und alle Moderationen der Welt werden plötzlich zur Nebensache.
»Tom, warte!«, schreie ich dem Auto hinterher, obwohl keines der Fenster geöffnet ist und er mich somit unmöglich hören kann. Aber egal, ich muss unbedingt mit ihm reden!!! Das ist meine Chance! Weil das Auto auf dem Firmengelände nicht besonders schnell fahren kann, ist es immer noch in Sichtweite. Ohne groß zu überlegen, renne ich hinterher. Blöderweise habe ich heute Morgen natürlich zu Highheels und nicht zu Laufschuhen gegriffen, so dass die Verfolgungsjagd quer über den Firmenparkplatz alles andere als einfach ist. Aber ich gebe nicht auf, ich will endlich mit Tom sprechen!!!
Hinter mir höre ich Leonie und Manuel, die am Auto auf mich warten, aufgeregt meinen Namen rufen, aber ich ignoriere sie. Ich muss diesen Wagen, ich muss Tom stoppen, sonst redet er nie mit mir!!! Also mobilisiere ich noch mal alle Kräfte, die ich habe, und gebe Vollgas. Irgendwie – keine Ahnung, ob Tom abbremst, als er im Rückspiegel sieht, dass ich wie eine Irre auf ihn zurase, oder ob ich mich einfach mal zur nächsten Sommerolympiade anmelden sollte, weil ich ein Sprint-Ass bin – hole ich ihn tatsächlich ein.
»Anhalten, sofort anhalten!!!! Wir müssen reden!!!! Halt endlich an!!!«, brülle ich den SUV an.
Doch just in dem Moment, als ich in Reichweite der Fahrertür bin und den Griff umfassen will, bricht mir der rechte Absatz ab. Noch im Fallen sehe ich, wie sich der überraschte Fahrer nach mir umdreht, dann knicke ich um. Im nächsten Moment lande ich mit einem lauten Schrei auf dem Boden und werde fast überfahren. Beim Aufprall schürfe ich mir beide Hände auf, lande unsanft auf dem Knie und zerreiße mir die sündhaft teure True-Religion-Jeans, die ich neulich erst im Ausverkauf erstanden habe. Aber das Schlimmste ist die Erkenntnis, die sich langsam in meinen Kopf eintrichtert: Der Mann am Steuer war gar nicht Tom!!! Wenn mich nicht alles täuscht, war das …
»Anna? Geht es Ihnen gut? Haben Sie sich etwas getan?«, dringt da eine sehr verwunderte Stimme an meine vor Peinlichkeit rot angelaufenen Ohren.
Vorsichtig hebe ich den Kopf und blinzele nach oben. Sekunden später würde ich den Kopf am liebsten wieder einziehen und wie Homer Simpson »Neiiiiin!« brüllen! Vor mir steht unser Vorstand. Woher soll ich denn bitte wissen, dass er das gleiche Auto fährt wie Tom??? Am liebsten würde ich im gepflasterten Boden versinken. Da höre ich hinter mir klappernde Absätze, und kurz darauf kniet Leonie neben mir.
»Alles gut?«, fragt sie mich flüsternd, und als ich nicke, hilft sie mir auf und strahlt den Vorstand an. »Herr Kobald! Das ist ja wirklich ganz hervorragend gelaufen heute. Eben sind die ersten Zuschauerreaktionen reingekommen: durch die Bank positiv! Ein guter Tag für den Sender, würde ich sagen. Na, dann bringen wir unsere neue Starmoderatorin mal nach Hause, war schließlich ein anstrengender Tag heute, nicht wahr!?«, flötet sie in einem Singsang, den vor allem Kindergärtnerinnen benutzen.
Aber anscheinend wirkt es. Leicht verdutzt nickt der Vorstand, verabschiedet sich höflich von uns, gratuliert mir erneut, verabschiedet sich noch mal, blickt sich kurz um und steigt dann endlich in sein Tom-Lookalike-Auto, um davonzubrausen. Erleichtert atmen wir alle aus.
»Ich dachte, es wäre …«, fange ich mit meiner Verteidigung an.
»Wir wissen, was du dachtest! Aber Tom ist nicht mehr beim Sender. Hör das nächste Mal einfach auf uns, wenn wir dich rufen, oder wirf wenigstens einen Blick auf das Nummernschild – das würde auch deinem Klamottenbestand guttun!«, fällt mir Manuel, der uns inzwischen erreicht hat, ins Wort und mustert kritisch und doch amüsiert meine kaputten Schuhe und das Loch in meiner Dreihundert-Euro-Jeans (die ich zwar für neunundneunzig Euro bekommen habe, aber trotzdem doof).
»Jetzt bringen wir dich erst mal nach Hause und verarzten dich. Und dann feiern wir
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