Maennerschlussverkauf - Roman
Zeitungen über dem Kopf schwenken. Sofort befinde ich mich wieder in einer Déjà-vu-Situation. Ich will nicht mehr jeden Morgen mit irgendwelchen doofen Schlagzeilen geweckt werden, die mein Privatleben hemmungslos ausschlachten! Ich will diese Knutschfotos nicht sehen, ich will nicht länger das Gespött der Leute sein, ich will EINFACH NUR MEINE RUHE !!!
»Deine Nominierung ist die Schlagzeile!«, kräht Manuel fröhlich und hält mir den Münchner Blitz direkt vors Gesicht.
Oh. Hat er gerade Nominierung gesagt? Nicht Herumgeknutsche? Ist er sicher? Neugierig schnappe ich mir die Zeitung und breche augenblicklich in erleichtertes Gelächter aus. Tatsächlich, die Überschrift lautet:
»Deutschlands tollpatschigste Nachwuchsmoderatorin für den Deutschen Fernsehpreis nominiert!«
Darunter ist ein Bild von mir aus dem Flash! -Studio abgedruckt. Keine Knutschfotos weit und breit. Warum verstehe ich zwar nicht, denn so, wie ich die Boulevardwelt bisher kennengelernt habe, wäre »Deutschlands tollpatschigste Nachwuchsmoderatorin bei wildem Knutschgelage mit Bayernstar gesichtet!« die weitaus verkaufsförderndere Schlagzeile gewesen, aber beschweren werde ich mich darüber ganz sicher nicht! Außerdem heißt das, wenn Tom heute Morgen die Zeitung aufschlägt, wird er nicht ein Bild von mir sehen, das ihn dazu veranlassen wird, mich endgültig abzuhaken, sondern nur eine nette Nachricht über meine Nominierung. Jipppieeee!!!
»So viel zum Thema top secret«, murmelt Manuel in dem Moment.
»Tja«, meint Leonie nur und wendet sich dann an mich. »Immerhin weißt du jetzt, wann du Tom auf jeden Fall wiedersehen wirst!«, strahlt sie mich an.
Schlagartig und ungeachtet der wirklich ekelhaften Schmerzen in meinem Hals richte ich mich auf. »Meinst du allen Ernstes, er kommt?«, frage ich und bekomme schon wieder Herzklopfen.
»Natürlich kommt er. Er ist der neue Tagesschau -Sprecher und zudem eines der bekanntesten deutschen Fernsehgesichter. Er wird da sein, verlass dich drauf!«, beschwört mich Leonie.
Plötzlich finde ich den Deutschen Fernsehpreis gar nicht mehr so überflüssig und unwichtig. Dann brauche ich ein neues Kleid!, schießt es mir noch durch den Kopf, bevor ich mich mit Wick-MediNait und anderen Wundern der modernen Pharmazie zurück ins Koma schieße, um morgen wieder für Flash! fit zu sein. Ich muss schließlich fit werden, denn ab heute läuft der Countdown, und dieses Mal werde ich es nicht versauen! Ich werde mich perfekt und gründlich auf den Tag vorbereiten, an dem ich Tom zurückerobern werde. Auf die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises. Jippiiieeee Yeahhh und gute Nacht …
My destiny
Shoppingbeutetagebuch:
Einzigartiges Kleid, das, wenn ich es trage, bei Tom nur einen einzigen Gedanken auslösen wird, und zwar: Ich liebe diese Frau!: 1 (allerdings in 8 Versionen)
Passende Schuhe und Täschchen: ca. 20 (da muss einfach das Richtige dabei sein)
Wow, nachdem ich nun wochenlang diesem Moment entgegengefiebert habe, ist er nun tatsächlich da. Heute ist der Tag, an dem ich Tom wiedersehen werde (kreisch!)! Und der Tag, an dem ich vielleicht den Deutschen Fernsehpreis bekommen werde, aber ehrlich gesagt ist das im Vergleich dazu, dass ich endlich meine große Liebe zurückgewinnen kann, eher Nebensache.
Die letzten Wochen habe ich fast ein bisschen wie in Trance gelebt. Ich habe die Sendung moderiert, tausend Interviews zum Fernsehpreis gegeben und jeden zweiten Tag gemeinsam mit Leonie nach dem perfekten Kleid für heute Abend gefahndet. Wirklich entscheiden konnten wir uns nicht, deswegen habe ich mir eine kleine Auswahl zugelegt. Glücklicherweise musste ich die meisten Kleider nicht bezahlen, denn neuerdings reißen sich die Designer darum, mich ausstatten zu dürfen. Obwohl mich vor ein paar Wochen noch niemand von denen kannte. Seltsame Welt … Ich bin trotzdem froh, denn die Vorbereitungskosten für den großen Abend würden sonst selbst mein neues Moderatorinnen-Budget bei weitem übersteigen.
Das Rennen hat am Ende eine schwarze Abendrobe gemacht, die irgendwo zwischen Sissi und Catwoman liegt und die ich im echten Leben wahrscheinlich nicht mal mit allen meinen Kreditkarten zusammen bezahlen könnte. Enge Korsage, weiter Rock, vorn ausgeschnitten, mit Blick auf meine dank des regelmäßigen Trainings der letzten Wochen nahezu perfekt durchtrainierten Beine.
Ja, Sie haben richtig gelesen: durchtrainiert! Ich, Anna Abendrot, war beim Pilates!
Na ja, Leonie und Manuel
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