Maennerschlussverkauf - Roman
Filmpremiere zu gehen? Oder hat er etwa doch meine Knoblauchfahne gerochen und will mir nur die Peinlichkeit ersparen, auf dem roten Teppich ausgelacht zu werden? Bei dem Verdacht halte ich mir erst mal erschrocken die Hand vor den Mund.
»Der rote Teppich ist im Mathäser fast immer hinten«, erklärt Tom mir daraufhin.
Im selben Moment biegen wir um die Ecke, und ich sehe eine Unmenge an Menschen, die an Ständen anstehen, und einen langen Zelttunnel, der bis zum Eingang des Kinos führt. Parallel nehme ich jetzt auch die Schreie, das Klatschen und den Jubel wahr und bekomme sofort zittrige Knie.
Oh Gott, vor mir befindet sich ein echter roter Teppich einer echten Filmpremiere mit echten Stars und echten Fotografen! Die ganze Welt, na gut, ganz Deutschland wird heute und morgen in den Zeitungen auf diesen Teppich schauen! Und ich werde gleich darüber laufen, und zwar mit Deutschlands bestaussehendem Fernsehmoderator. Jenem bestaussehenden Fernsehmoderator, der soeben meine Hand loslässt und irgendeinen wichtig aussehenden Mann begrüßt, der sich mir als Toms Manager vorstellt und ihm zwei Karten sowie irgendwelche Ausweise in die Hand drückt. Links neben mir setzt nun wieder eine Schreitirade ein, weil irgendein Weltstar den Teppich entlangschreitet.
Mir wird vor Aufregung ganz schlecht. Doch nicht nur das! Ich spüre, wie sich der Champagner in meinem Magen auf unheimliche Art und Weise mit den vier Litern fettarmer Milch, den achtundsiebzig Pfefferminzdragees und dem aus Versehen verschluckten Mundwasser verbindet. Während mein Magen wie wild rumort, beginne ich eine leichte aufsteigende Knoblauchfahne zu schmecken. Oh-oh!!! Mir dämmert, was gleich passieren wird. Ich werde aufstoßen müssen!!! Wie schrecklich, ich stehe hier mit Tom und seinem Manager neben einem starbesetzten Teppich und muss aufstoßen!!! Und ich kann es nicht aufhalten.
Panisch öffne ich meine Handtasche, tue so, als ob ich etwas suchen müsse, und drehe mich kurz von den beiden weg. Im allerletzten Moment – puh! Denn im nächsten haben sich die Gase ihren Weg nach oben gekämpft, und ich muss tatsächlich aufstoßen. Glücklicherweise ist es kein lauter Rülpser, sondern klingt eher nach einem langen Lufthauch, aber dafür riecht es bestialisch nach einer Mischung aus vergorener Milch, Alkohol und Knoblauch. Ich versuche die Giftgaswolke unauffällig von uns weg zu pusten und mache lauter kleinere Stoßatmungen wie bei einer sehr leisen Geburt. Gerade als ich meine, das Schlimmste wäre nun wie weggeblasen (haha), höre ich direkt vor mir ein angewidertes »Uäh!«, und ein Mann im Anzug dreht sich zu mir um.
»Was stinkt denn hier so!?«, fragt er und schaut mich ärgerlich an. Es ist Til Schweiger.
»Das … habe ich mich auch gerade gefragt«, stottere ich und drehe mich mit knallrotem Kopf schnellstens wieder um.
Tom und sein Manager haben glücklicherweise nichts mitbekommen, denn Tom legt in diesem Moment eine Hand um meine dank der Stretchhose bezaubernd schlanke Taille.
»Wollen wir los, Anna?«, fragt er mich und lächelt.
Ob er immer noch so lächeln würde, wenn er wüsste, dass ich gerade Til Schweiger angerülpst habe?
Waaaahhhh!!!! Wie absolut schrecklich ist das denn?
Oh Gott, ich habe Til Schweiger angerülpst, wie furchtbar! Ich finde Til Schweiger toll! Til Schweiger ist berühmt ! Und erfolgreich. Und Familienvater. Ich fühle mich hundeelend, aber schon kurz darauf mindestens genauso erleichtert, dass Tom mich endlich wegführt und ich diese mehr als peinliche Szene inklusive der Milch-Champagner-Knoblauchwolke wenigstens räumlich hinter mir lassen kann. Vor lauter Til-Schweiger-Scham bekomme ich gar nicht richtig mit, wie wir den roten Teppich betreten. Bis uns auf einmal wildfremde Menschen anschreien. Vielmehr schreien sie in erster Linie Tom an.
» HIER her, Tom!!! Schau zu MIR !!!« – » NEIN , HIER her, Tom, HIER , in der MITTE !!!« – »Nein, TOM , LINKS !!! Schau nach LINKS !!!!« – »Quatsch, TOM , rechts, schau nach RECHTS , JETZT !!!!« – »Lächle, Tom, LÄCHLE mal!!!« – » SEXY , TOM , schau mal SEXY !!!« – » LACHEN , Tom, LACH mal! Aber nach RECHTS !!!!« – »Und jetzt mal ALLEIN , ohne die TUSSI , Tom, ja?«
Es ist wie im Krieg. Oder zumindest so, wie ich mir Krieg vorstelle. Nach den ersten drei Metern bleiben wir stehen, und Tom dreht sich zu den Kameras, lächelt mal hierhin, mal dorthin, drückt meine Hand und schiebt mich einen Meter weiter zu den nächsten
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