Maennerschlussverkauf - Roman
verärgert. Mir wird klar, dass es nun an mir ist, etwas zu sagen. Ich habe nur Angst, dass es das Falsche ist. Und dass ich keinen Ton herausbekomme. Ich weiß, es klingt so elendig klischeehaft, aber Toms Anwesenheit raubt mir buchstäblich den Atem. Ich kann zwar mein eigenes Herz schlagen (ach was, wummern) hören, aber meine eigenen Worte nicht.
»Tom, ich weiß«, fange ich an, »ich bin eine totale Idiotin! Du nimmst mich zu einer so tollen Veranstaltung mit, und ich führe mich auf wie ein Vollpfosten. Es tut mir so leid, dass ich abgehauen bin. Mir war das alles so peinlich, und du warst so toll und … Eigentlich bin ich gar nicht so! Ehrlich! Na gut, manchmal vielleicht ein bisschen … Aber nicht so , verstehst du? Ich habe bei dir irgendwie das Gefühl, dass ich alles falsch mache. Dabei will ich das gar nicht, ich habe nur …«
Weiter komme ich nicht, denn Tom unterbricht mich auf die perfekteste Art und Weise, auf die frau vom Mann ihrer Träume unterbrochen werden kann: Er verschließt mir den Mund mit einem Kuss. Erst weiß ich gar nicht, was gerade passiert, aber als er mich sanft an sich zieht und ich seine weichen Lippen auch nach zehn weiteren Sekunden spüre, bin ich sicher, dass ich nicht halluziniere. Dafür fühlt sich der Kuss viel zu echt an. Fantastisch echt!
Ich habe ganz entsetzliche erste Küsse hinter mir, aber dieser hier ist einfach nur perfekt. Wir stoßen nicht mit den Nasen aneinander oder treten uns gegenseitig auf die Füße. Es fühlt sich vielmehr an, als hätte jeder von uns schon ewig darauf gewartet, den anderen zu küssen. Das erste Mal seit langem versinke ich in einem Kuss und fühle mich genau richtig dort, wo ich bin. Alles, was vorher war, ist plötzlich total egal. Wir beide stehen bloß da, küssen uns und verschmelzen miteinander. So muss es in Märchen sein, wenn der Prinz seine Prinzessin küsst und alles gut wird. Nur dass es in Märchen keine betrunkenen Jungesellinnen gibt, die den Kuss grölend beklatschen. Aber das bekomme ich sowieso erst nach einer kleinen Ewigkeit mit, als wir uns wieder etwas voneinander lösen (ganz lassen wir uns natürlich nicht los). Die Mädels kreischen, die Jungs trommeln, und wir grinsen einander einfach nur an. Glücklich. Und so gar nicht mehr fremd.
Als wir händchenhaltend die Stufen in den Park hinablaufen, singen die Mädels hinter uns laut »Love, oh Love!« von Lena Meyer-Landrut, und zwar so schlecht, dass Tom und ich in Lachen ausbrechen und schnell das Weite suchen. Wir spazieren durch den Englischen Garten, schlendern über Brücken und am japanischen Teehaus vorbei und haben doch nur Augen füreinander.
Ich erzähle ihm alles. Warum ich so nervös war, weshalb ich den ganzen Schampus heruntergestürzt habe wie eine Irre und wie viel Milch ich prophylaktisch in mich hineingeschüttet habe. Na gut, Til Schweiger lasse ich weg und das Bauch-weg-Höschen auch, aber sonst erzähle ich ihm wirklich alles! Und das ist mit einem Mal auch ganz einfach. Tom ist nicht mehr der große Moderator, und ich bin nicht die chaotische Redakteurin, wir sind einfach zwei Menschen, die Hand in Hand durch den Park laufen. Und sich auf der Brücke küssen. Und auf dem Weg. Und auf der Wiese. Und unter dem großen Baum …
Meine Nervosität ist wie weggeblasen. Zumindest die negative. Stattdessen laufe ich wie auf Wolken und fühle, dass es Tom genauso geht.
»Wie machen wir das jetzt?«, frage ich ihn.
»Was meinst du?«, fragt er und küsst meine Nasenspitze.
»Na, das mit uns? Morgen in der Redaktion? Können wir so noch zusammenarbeiten, oder musst du mich von der Fashion Week abziehen?«, hake ich nach und hoffe, dass er es nicht tut.
»Wieso denn? Meinst du, wir sind jetzt kein gutes Team mehr?«, antwortet er schmunzelnd.
»Ich nicht, aber Verena …«, zweifle ich vorsichtig.
»Verena will eine tolle Sendung. Alles andere kann ihr egal sein, und das ist es ihr in der Regel auch. Mach dir mal keine Gedanken, Prinzessin«, beruhigt er mich.
»Prinzessin?«, frage ich und schaue ihn mit großen Augen an.
»Na ja«, Tom wirkt ein wenig verlegen, »als du gestern weggerannt bist und ich hinter dir her, da musste ich an das Märchen denken, in dem die Prinzessin ihren Schuh verliert.«
»Du meinst Cinderella?!«, unterbreche ich ihn.
»Ja genau, so bin ich mir vorgekommen. Nur dass du mir keinen Schuh, dafür aber eine Meute an Kamerateams hinterlassen hast!«, scherzt er, und ich sage lieber nichts dazu. »Aber wenn dir
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