Ende führt, hat das meistens einen Grund. » WAS ist jetzt?«, frage ich daher ungehalten.
»Na ja, jetzt hat er sich mit einer anderen verlobt! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie hämisch sich die anderen Frauen beim Rosenzüchtertreffen mir gegenüber benommen haben. Anscheinend kennt meine Bekannte Anja die Mutter seiner neuen Freundin ganz gut. Sie studiert wohl auch in Augsburg. Irgendwas mit Zahlen, ich glaube …«
» BWL ?«, frage ich und spüre, wie mir schlecht wird.
»Ja, genau das war’s! Also wirklich, Anna, die Chance hast du vertan! So einen Mann findest du nie wieder. War ja klar, dass der nicht lange allein bleibt«, philosophiert meine Mutter fleißig weiter vor sich hin.
»Er heiratet die Schlampe, mit der er mich betrogen hat??!«, frage ich noch mal nach, aber natürlich weiß ich, dass es genau so ist. Ich spüre, wie ich schneeweiß werde, und halte mich am Küchentresen fest.
In dem Moment kommt Leonie herein. Meinen letzten Satz hat sie anscheinend mitgehört. »Deine Mutter?«, fragt sie mich.
Ich nicke nur wortlos.
Ohne zu überlegen, schnappt sie sich den Hörer und flötet: »Hallo, Frau Abendrot, es tut mir sehr leid, aber Anna muss sofort los. Sie hat eine Anprobe für ein neues Kleid, weil sie auf einer Modenschau laufen soll. Verstehen Sie? Grüße an den Mann und auf Wiederhöhören!«, singsangt sie und drückt energisch den roten Knopf auf meinem Handy. Dann schaut sie mich an, nimmt mich fest in den Arm, damit ich das Ganze erst mal kurz sacken lassen kann.
»Wie viel Arschloch kann bitte schön in einem einzelnen Mann stecken?«, frage ich sie.
»Ich weiß es nicht. Dein Anwalts-Ex ist in dieser Disziplin jedenfalls Weltmeister. Aber letztlich kann es dir egal sein, du musst dich damit nicht mehr rumschlagen. Nun komm, Tom wartet!«, antwortet sie und schultert ihre Tasche.
»Ja, lass uns gehen!«, bekräftige ich und merke, wie meine Übelkeit beim Gedanken an die Redaktion und Tom schon abnimmt und ich fast ein Lächeln zustande bekomme.
Trotzdem scheine ich in der Redaktion immer noch leicht schockiert auszusehen. Nach der Morgenkonferenz blinkt eine E-Mail von Tom auf meinem Bildschirm auf.
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Gesendet: Mittwoch, 12. Juni um 10.08 Uhr
Von: »Tom«
An: »Anna«
Betreff: Prinzessinnenpost
Guten Morgen Prinzessin,
alles okay bei dir?
Ich fand den Tag gestern wunderschön.
Tom
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Gesendet: Mittwoch, 12. Juni um 10.15 Uhr
Von: »Anna«
An: »Tom«
Betreff: Re: Prinzessinnenpost
Hey,
das fand ich auch. Wieso fragst du?
Anna
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Gesendet: Mittwoch, 12. Juni um 10.16 Uhr
Von: »Tom«
An: »Anna«
Betreff: Re: Re: Prinzessinnenpost
Weil du aussiehst wie ein verschrecktes Reh, das am Waldrand einen Jäger mit einer Kalaschnikow gesichtet hat.
Ich muss lachen und beschließe, ehrlich zu sein. Meine Geschichte kennt Tom sowieso schon.
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Gesendet: Mittwoch, 12. Juni um 10.19 Uhr
Von: »Anna«
An: »Tom«
Betreff: Re: Re: Re: Prinzessinnenpost
So ähnlich! Meine Mutter hat mir eben am Telefon vorgehalten, dass ich den Mann verstoßen habe, der mich am Tag vor meiner Hochzeit betrogen hat. Außerdem hat sie mir brühwarm mitgeteilt, dass er die besagte Dame demnächst heiraten wird.
Jetzt pocht mir das Herz. Wie wird er darauf reagieren? Nicht dass er denkt, ich hänge noch an Marcel. Gerade will ich eine neue E-Mail schreiben und ihm sagen, dass mir das ganz und gar nichts ausmacht, da ploppt erneut das E-Mail-Fenster auf.
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Gesendet: Mittwoch, 12. Juni um 10.23 Uhr
Von: »Tom«
An: »Anna«
Betreff: Re: Re: Re: Re: Prinzessinnenpost
Das klingt, als ob deine Mutter eine ganz zauberhafte Person wäre!
Im Ernst, das tut mir sehr leid. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie schwer das für dich ist.
Tom
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Gesendet: Mittwoch, 12. Juni um 10.25 Uhr
Von: »Anna«
An: »Tom«
Betreff: Re: Re: Re: Re: Re: Prinzessinnenpost
Ja, ich glaube, sie würde sich sehr gut mit Verena verstehen! :-)
Danke und ja, es ist nicht so leicht. Aber es tut auch gut, denn es bestätigt mich darin, dass ich die richtige Entscheidung