Maennerschlussverkauf - Roman
gestorben ist – sofern es hier überhaupt jemals welche gegeben hat. Und musste man bei Lepra husten? Schnell schüttele ich den Gedanken ab und antworte so gefasst, wie es mir unter Toms Blick möglich ist (ohne seine Anwesenheit würde ich vermutlich schon seit fünfundvierzig Sekunden lautstark ins Telefon brüllen).
»Nein, es ist alles gut, Mama. Was gibt es denn? Ich bin arbeiten, weißt du?«, antworte ich, die Ruhe selbst.
»Arbeiten, pah! Ich dachte, du bist jetzt beim Fernsehen?!«, kommt postwendend die Antwort meiner bezaubernden Mutter. »Ich wollte nur sichergehen, dass du den Geburtstag deiner Oma nicht vergisst. Sie wird am Wochenende achtzig, wie du dich vielleicht dunkel erinnern kannst, und natürlich gehen wir alle davon aus, dass du bei der Feier dabei sein wirst.«
Nein! Ich zucke merklich zusammen. Natürlich habe ich den Termin vergessen. Aber meine Mutter ist noch nicht fertig.
»Da du das mit der Hochzeit nicht hinbekommen hast, gehe ich davon aus, dass du allein kommen wirst. Das wird nicht schön für mich, dich der Verwandtschaft als fast dreißigjährigen Single vorstellen zu müssen, weißt du!«, bellt sie hörbar beleidigt.
»Ich bin noch nicht dreißig und Single übrigens auch nicht mehr!«, antworte ich spontan und unbedacht.
Wenn ich mir Toms voller Aufmerksamkeit bisher nur zu neunundneunzig Prozent sicher sein durfte, dann habe ich sie jetzt mindestens zu dreihundert Prozent. Sofort bereue ich meine Aussage. Was soll er denn jetzt von mir denken? Dass ich vor meiner Mutter mit ihm angebe, obwohl wir gerade erst so halbwegs richtig zusammengekommen sind? Zu meiner Überraschung lächelt mich Tom aber weiterhin wortlos an und scheint sich an dem Satz kein bisschen zu stören, sondern eher zu freuen. Und meine Mutter habe ich sogar für ein paar Sekunden – was in ihrer Telefonwelt eine Ewigkeit darstellt – aus dem Konzept gebracht. So lange schweigt sie nämlich ausnahmsweise mal.
»Oh, du hast … also … na, so was! Hoffentlich einen Anwalt, nehme ich doch mal an. Na gut, dann bring deinen neuen Freund eben mit. Immer noch besser, als wenn du allein kommen musst, oder?«, reagiert sie nun doch schlagfertig auf die Neuigkeit.
»Nein, Mutter, ich werde ihn ganz sicher nicht mitbringen!!!! Ich komme gerne allein, und nun lass uns das Thema bitte abschließen. Ich muss arbeiten«, entgegne ich ihr nun nicht mehr ganz so ruhig, denn innerlich koche ich bereits. Dass Tom dieses peinliche Gespräch mit anhören muss, macht das Ganze nicht wirklich besser.
»Wohin soll ich denn nicht mitkommen?«, schaltet er sich zu allem Übel laut hörbar ein.
»Ist dein Freund etwa gerade bei dir? Ich dachte, du arbeitest? Bist du in der Rechtsabteilung? Er ist doch hoffentlich Anwalt, oder? Gib ihn mir mal!«, schreit meine Mutter augenblicklich unter vor Aufregung einsetzender Schnappatmung in den Hörer. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sie zu Hause vor lauter Erregung im Garten auf und ab trippelt und nervös die Blätter von ihren geliebten Teerosen zupft.
»Auf den achtzigsten Geburtstag meiner Oma dieses Wochenende. Natürlich musst du nicht mit. Meine Mutter hat da etwas falsch verstanden«, erkläre ich Tom flüsternd und lege dabei meine Hand aufs Handy, damit meine Mutter nicht mithören kann. Was mir allerdings nicht gelingt, da ich aus dem BlackBerry ein enttäuschtes Schnauben vernehme.
»Aber ich würde sehr gerne mitkommen und deine Familie kennenlernen«, erwidert Tom daraufhin und findet meinen durch seine Antwort ausgelösten Gesichtsausdruck anscheinend sehr amüsant. Seinen Augen nach muss ich ähnlich panisch ausschauen wie ein durchgegangenes Fohlen. Genauso fühle ich mich auch, vor allem als ich ein Triumphgeschrei aus dem Hörer wahrnehme.
»Seid bitte gegen ein Uhr da und zieh dir was Anständiges an!«, kann ich gerade noch hören, da ertönt auch schon das Besetztzeichen.
»Sag mal, spinnst du?«, frage ich Tom ehrlich schockiert. »Jetzt denkt sie, dass du wirklich mitkommst. Das ist nicht lustig. Wenn du meine Mutter kennen würdest, wüsstest du das!«.
»Ich werde sie ja bald kennenlernen, dann kann ich das besser beurteilen«, antwortet er und gibt mir mitten in der Kantine vor allen Leuten einen Kuss auf die Stirn!
Ich bin baff. Erstens weil er mich in aller Öffentlichkeit küsst und zweitens weil er tatsächlich mitkommen will. Letzteres werde ich zu verhindern wissen.
»Ähm, weißt du, das ist echt lieb von dir und so … Aber ehrlich
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