Maennerschlussverkauf - Roman
Sie kennenzulernen, Frau Abendrot! Ich habe von Ihrer Tochter schon so viel Gutes über Sie gehört«, lügt er charmant und zaubert einen Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervor.
Pinkfarbene Rosen, die Lieblingsblumen meiner Mutter. Ich kann beobachten, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht weicht, und habe nun ernsthaft Angst, dass meine Mutter gleich ohnmächtig wird oder einen Herzinfarkt bekommt. Oder beides.
Ehe ich sie stützen kann, hat sie sich auch schon wieder gefangen, setzt ein Strahlen auf, das ich das letzte Mal an ihr gesehen habe, als ich die Zulassungsbescheinigung für das Jurastudium bekommen habe, und flötet galant: »Aber Herr Vanderscheid! Welche eine Ehre Sie kennenzulernen! Annas Oma wird begeistert sein! Wir wussten ja gar nicht, welch hohen Besuch wir heute bekommen werden! Und die Blumen … Also das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen! Wie die duften …« Schwärmerisch riecht sie an dem Strauß und bittet Tom mit ähnlich blumigen Worten ins Haus.
Als er sich umdreht und durch das Gartentürchen vorangeht, dreht sie sich kurz zu mir um und zischt mir vorwurfsvoll zu: »Warum hast du mir das denn nicht gesagt? Dann hätte ich mein Laura-Ashley-Kostüm angezogen und noch schnell zwei Kilo abgenommen. Damit konnte ja keiner rechnen!«
»Du hast mich nicht gefragt!«, erwidere ich verwundert und verstehe die Welt nicht mehr. Kopfschüttelnd gehe ich an ihr vorbei zur Haustür. War das gerade wirklich meine Mutter?
Als sie mir in den Rücken pikst und mich auffordert, nicht so rumzutrödeln, bin ich mir wieder sicher. Ja, sie ist es tatsächlich. Und anscheinend findet sie Fernsehen doch nicht so blöd, wie sie immer behauptet.
Noch absurder wird die Situation, als wir das Wohnzimmer betreten, in dem sich bereits eine ganze Horde an Verwandten versammelt hat. Ich kenne es schon aus München, dass andere Menschen Tom anstarren oder ihn ab und zu ansprechen und um ein Autogramm bitten, aber was hier abgeht, ist dazu kein Vergleich! Meine Mutter hat sich, kurz bevor wir die Tür erreicht haben, an uns vorbeigedrängt und kündigt uns nun mit vor Aufregung bebender Stimme an.
»Hier ist sie endlich, meine entzückende Tochter Anna! Ratet mal, wen sie mitgebracht hat. Ihren neuen Freund!« An dieser Stelle klingt sie auf einmal betont gleichgültig, und ich kann es mir nicht verkneifen, die Augen zu verdrehen. »Vielleicht kennt der eine oder andere von euch ihn ja bereits. Es ist … Tom … Vanderscheid!«, verkündet sie und imitiert dabei ziemlich missglückt Dieter Thomas Heck.
Es ist grausam, und ich schäme mich zu Tode. Vor allem da meine Verwandten zum Großteil genauso reagieren, wie meine Mutter es sich wohl erhofft hat, und anfangen zu applaudieren. Während ich fast vor Scham im Boden versinke, reagiert Tom ganz souverän, hebt beschwichtigend die Hände und begrüßt die Anwesenden so selbstverständlich, als würden sie ihn nicht gerade anstarren wie ein pinkfarbenes Pferd vom Mars. Diese Moderations-Coachings von KNL müssen echt verdammt gut sein. Dass Tom nicht mal in dieser Situation die Fassung verliert, ist ein Wunder. Ich an seiner Stelle hätte auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre aus dem Haus gerannt. Aber ich habe ihn ja gewarnt …
»Sie sind doch der Starmoderator von KNL ! Und der Freund von dieser Sängerin!«, kreischt da eine mir unglücklicherweise sehr vertraute Stimme.
Ich erkenne nur ein in Blumenstoff verpacktes, kleines Persönchen, das sich samt Ellenbogen durch die Verwandtenmenge auf uns zukämpft und mit wippenden grauen Dauerwellenlöckchen stehen bleibt. Meine Oma ist da.
»Ich war mal mit dieser Sängerin zusammen, aber das ist lange her«, korrigiert Tom schmunzelnd und drückt meine Hand.
Welche Sängerin bitte???
»Das ist aber schade«, bedauert meine unmögliche Oma die Trennung. »So ein nettes Mädchen. Ich habe Sie mal in der Bunten gesehen. Sie waren wirklich ein schönes Paar!«
Ich könnte sie erwürgen, wenn ich sie nicht so lieb hätte und wüsste, dass sie es nicht so meint, wie sie es sagt.
»Wissen Sie, ich habe noch ein viel netteres Mädchen gefunden!«, antwortet Tom und zieht mich an sich.
Endlich fällt bei meiner Oma der Groschen. »Oh ja, natürlich! So war das nicht … Ich meinte nur wegen der schönen Bilder.« Sie kommt merklich ins Stutzen. »Aber Anna, mein Engel, wie schön, dass du da bist, und wie gut du aussiehst!«, rettet sie sich und nimmt mich – oder vielmehr meinen Bauch – in den
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