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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Herren«, sagte er. »Der Rufer in der Wüste ist von jeher ohne Echo geblieben und eines Tages verdurstet. Es ist zum Kotzen!«
    Dr. Pflüger stand vor dem Schreibtisch und beobachtete den Chef, wie er mit dem Finger die Rubriken abging. Es war eine lange Liste von Operationen, aufgeteilt auf zwei OPs. »Ich mache den Billroth II und das Hypernephrom«, sagte Morus und machte mit Rotstift einen Haken an die Zeilen. Dr. Pflüger hob etwas den Kopf.
    »Zwei große nacheinander, Herr Professor?«
    »Na und?« Morus schob die Augenbrauen zusammen. »In Ihrem Alter stand ich zehn Stunden am Tisch und ging anschließend noch tanzen. Lassen Sie mir die Krankengeschichten der beiden heraufbringen und das gesamte Röntgenmaterial. Ist sonst etwas Neues im Haus?«
    »Vierzehn Neueingänge.« Dr. Pflüger schob die Unterlippe vor. »Vorwiegend Frauen. Ich mußte die Gänge damit belegen.«
    Prof. Morus warf den Operationsplan auf den Tisch. »Ich setze eine Abendvisite an und Sie stellen sie mir vor, Herr Pflüger. Und bitten Sie die Korrespondenten aller erreichbaren Zeitungen und Illustrierten zu mir.«
    »Aber …«
    »Kein Aber! Ich muß es tun.«
    »Darf ich Herrn Professor darauf aufmerksam machen, daß das ärztliche Ethos …«
    »Dr. Pflüger! Was nützt uns das Ethos, wenn es von der Politik schamlos ausgenutzt wird?! Wir dürfen nicht mehr steril in unseren gekachelten Wänden leben, sondern wir müssen sprechen, laut, deutlich und wahrheitsgemäß. Wenn die Politiker das Recht haben, sich eines Sprachrohres für die Öffentlichkeit zu bedienen, so haben wir dieses Recht auch! Erst recht, wenn wir für eine menschliche Sache eintreten! Ich lasse heute abend die Presse zu mir bitten … Veranlassen Sie alles Weitere, Dr. Pflüger.«
    Das alles war vorausgegangen, als Dr. Pflüger an diesem Nachmittag wieder mit Schwester Inge zusammentraf. Im Sekretariat klingelten die Telefone; die Redaktionen riefen an, die Korrespondenten der Pressedienste, Rundfunk und Fernsehen.
    »Sieh an, unser Häschen«, sagte Dr. Pflüger etwas gehässig, als er Inge gegenüberstand. Sie konnte nicht an ihm vorbei, er stand breitbeinig mitten im Flur. »Was denken Sie eigentlich?«
    »Darf ich die Frage zurückgeben?« Inge trug frische Bettwäsche auf den Armen, zwei Laken, zwei Bezüge, zwei Kopfkissenbezüge. Von Zimmer 2 waren zwei Patienten entlassen worden zur ambulanten Weiterbehandlung, weil man die Betten dringend brauchte. »Schwester Angela wartet auf die Wäsche.«
    »Es scheint Ihre Art zu sein, andere warten zu lassen …«
    »Bitte, lassen Sie mich durch.« Schwester Inge versuchte, sich vorbeizudrängen, aber Dr. Pflüger trat ihr in den Weg.
    »Sie wissen, daß Sie mich beleidigt haben?« fragte er leise.
    »Ich – Sie?«
    »So wie Sie hat mich niemand behandelt.«
    »Ich habe mich nur verteidigt.«
    »Was haben Sie verteidigt? Ihre Unschuld?« Die Stimme Dr. Pflügers wurde ironisch. »Wollen Sie mir das Märchen von der Jungfrau auftischen? Na, so sagen Sie doch was! Wollen Sie behaupten, daß Sie noch nie …«
    »Schwester Angela wartet!« rief Inge gequält.
    »Sie kann warten.«
    Dr. Pflüger lehnte sich an die Wand. »Wissen Sie, daß ich gestern sehr enttäuscht war? Ich habe mich sinnlos betrunken, um diesen Schmerz in mir zu ersticken.«
    »Warum betrachten Sie uns junge Schwestern eigentlich als Freiwild?« sagte Inge laut. Dr. Pflüger lachte sarkastisch.
    »Es wäre pervers, alte Schwestern so zu betrachten.«
    »Ich bin verlobt, Herr Oberarzt.«
    »Das ist ein sehr variabler Familienstand. Was hindert Sie daran, wie andere zu denken: mach dir ein paar schöne Stunden …«
    »Ich liebe meinen Bräutigam und bin ihm treu.« Schwester Inge drückte die Bettwäsche gegen ihre Brust. »Ich müßte mich vor mir selbst schämen … Kann ich nun gehen, Herr Oberarzt?«
    »Aber natürlich.« Dr. Pflüger blieb an der Wand stehen. »Sie haben einen Vertrag mit unserem Haus?«
    »Ja. Auf vier Jahre.«
    »Und wie lange sind Sie schon hier?«
    »Fast zwei Jahre.«
    Oberarzt Dr. Pflüger spitzte die Lippen, als wolle er pfeifen. »Also noch zwei volle Jahre, Schwester Inge. Ich habe das Gefühl, daß es vierundzwanzig saure Monate sein werden …«
    Fast fluchtartig lief Inge an Dr. Pflüger vorbei. Aus Zimmer 2 kam Schwester Angela. Sie war wütend, weil sie so lange gewartet hatte. »Wo bleiben Sie denn?« rief sie. »Die Wäsche liegt doch griffbereit!«
    Oberarzt Dr. Pflüger kam langsam den langen Flur hinunter.

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