Männertaxi: Eine turbulente Komödie (German Edition)
dass ich über Nacht zu einer Karrierefrau mutiert bin – ich liege auf dem Sofa, während ich auf meinem Klemmbrett herumkritzle, und auf meinem Bauch steht ein Riesenbecher Häagen-Dasz Caramel. »Hmmmmmm …«, mache ich genießerisch, als ich den Löffel abschlecke.
»Mmmmmmmmm …«, höre ich von irgendwo das Echo.
Moment mal.
In meiner Wohnung gibt es ein Echo?
Ich richte mich erstaunt auf.
»Hmmmmmm?«, mache ich noch einmal.
»Mmmmmmmmmm!«, kommt es leise zurück.
Ich halte die Luft an.
»Mmmm, mmmmm … mmmmmmmm!«
Da, schon wieder! Das ist kein Echo, das ist etwas anderes. Und es hört sich fast an wie ein leises Stöhnen! Sollte Pia Besuch haben? Nein, die hat mich gerade angerufen, die macht heute bei einer Hotelbesitzerin und ihren Freundinnen die Nägel, bevor dann später Simon dort auftauchen wird, um die Damen noch auf ganz andere Art zu verwöhnen. Das ist tatsächlich auch eine Idee, die ich mir schon notiert habe: Genuss-Komplettprogramme. Da gibt es viele tolle Möglichkeiten.
»Mmmmmm …«
Ich gehe in den Flur und horche. Nichts. Also gehe ich in mein Schlafzimmer. Das Fenster ist gekippt und …
»Mmm mmm mmm mm mmmmmmmmmmmmmmmmmm!«
Das kommt doch aus Charlottes Wohnung! Ist ihr etwas passiert?
Ich reiße das Fenster auf und hänge mich hinaus, um etwas zu hören. Aber das dunkle Stöhnen hat aufgehört. Ich warte mit klopfendem Herzen. Vielleicht sollte ich schnell bei ihr klingeln? Oder sicherheitshalber sofort einen Krankenwagen rufen?
»War es schön für dich?«, fragt eine Männerstimme.
Ich falle fast aus dem Fenster. Nee, oder? Ich habe doch nicht etwa gerade … Charlotte wird doch wohl nicht …
»Ooooh ja, es war wunderschön.« Charlottes Stimme, die zu mir herüberschwebt, klingt wohlig und weich.
Ich fasse es nicht! Meine Nachbarin hatte gerade Sex. Sex? In dem Alter?
Aber mit wem?
Herr Möller, schießt es mir durch den Kopf. Aber natürlich weiß ich, dass es albern ist. Wieso drängt sich dieser Mann eigentlich dauernd in meine Gedanken? Ich schiebe ebendiese energisch zur Seite und horche angestrengt.
»Diese Gewissheit, jemanden zu lieben, ist doch wirklich das Schönste im Leben.« Das war die Männerstimme.
Dann ist es wieder still. Ich warte noch einen Moment, dann kehre ich ins Wohnzimmer zurück, kann mich aber nicht konzentrieren.
Nachdem der Eisbecher leer ist, höre ich, wie die Wohnungstür von Charlotte geöffnet wird. Also fröne ich meinem neuen Hobby, husche mucksmäuschenstill, aber im fünften Gang zur Tür und schaue durch meinen Spion, der mir mittlerweile schon richtig ans Herz gewachsen ist. Eigentlich könnte ich ihm bald einen Namen geben.
Ich sehe Charlotte. Besser gesagt, sehe ich einen Mann von hinten, der im Flur steht, während Charlotte in einem geblümten Morgenmantel im Türrahmen lehnt und ihren Besucher versonnen anlächelt. Da ich ihn nur von hinten sehen kann, bleibt mir nur, seine Klamotten zu scannen. Er trägt eine schwarze Stoffhose und einen beigen Trenchcoat. Hat ein bisschen was von Columbo . Nur in schick halt. Charlotte schlingt ihre Arme um seinen Hals, und es sieht aus, als würden sie sich küssen. Aber es handelt sich definitiv nicht um Herrn Möller, denn der Unbekannte ist viel größer – Charlotte muss sich auf die Zehenspitzen stellen – und hat graue Haare.
»Es war schön mit dir«, höre ich Charlotte sagen. Sie klingt so verliebt. Meine Nachbarin hat einen Freund! Und es ist …
Der Mann dreht sich um und geht zur Treppe.
Ich stehe mit offenem Mund da.
Es ist … Ernst! Mein Ernst von Topphoff-Erpenstein knutscht mit meiner Nachbarin Charlotte! Dieses gewiefte Luder! Also war sie deshalb so nervös, als ich sie auf den Flyer angesprochen habe! Von wegen, eine Bekannte hätte mal eine Mail geschickt … Da tut sie so unschuldig, und dabei ist sie es, die Ernst so oft bucht. Ich bin platt wie eine Flunder. Ich hätte ja wirklich mit allem gerechnet, aber doch nicht damit!
Piep, piep.
Mein Handy meldet, dass ich eine neue SMS bekommen habe.
Isa, ich muss mit dir reden! Hast du kurzfristig in einer halben Stunde Zeit? Es ist wirklich wichtig. Tom
Ich überlege. Soll ich diese Nachricht einfach löschen? Besser wäre es. Und sicherer. Wer weiß, ob mir das, was er zu sagen hat, nicht wieder weh tun wird.
Andererseits: Will ich nicht sowieso versuchen, öfter mal etwas zu tun, was nicht sicher ist?
Worum geht es denn?
schreibe ich deshalb zurück. Seine Antwort erreicht mich
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