Männertaxi: Eine turbulente Komödie (German Edition)
was? Sei froh, dass du diese Gedanken und Gefühle überhaupt noch haben kannst. Denn sie zeigen dir doch, dass du lebst. Dass du ein Mensch bist, der Gefühle zulassen kann!«
Ich seufze. Wahrscheinlich hat sie recht. Auch wenn es gerade verdammt weh tut, zu spüren, dass man noch lebt.
»Viel schlimmer ist es, wenn du irgendwann merkst, dass du dich kaum noch an deine letzte Liebe erinnern kannst. Denn all die Erinnerungen, die du in dir hast, sind es doch, die dich ausmachen. Du steckst so voll von ihnen, und jede schlechte Lebensphase wird dich letztendlich auch wieder in eine gute bringen, die du sonst vielleicht nicht erlebt hättest.«
Sie hat recht. Hätte Tom mich nicht betrogen und sich dann von mir getrennt, hätte ich Sascha nie kennengelernt. Und hätte der sich nicht in mich verliebt, wäre ich nie auf die Idee für mein Männertaxi gekommen. Und würde es das Männertaxi nicht geben, wäre nie das Fundament eines Weltimperiums gegossen worden … ähm. Okay. Der Gedanke geht nun wahrscheinlich wirklich zu weit.
»Ich verstehe, was du meinst«, erwidere ich. »Aber schöner wäre es, wenn es nicht erst weh tun müsste, bevor wieder etwas Schönes passiert.«
»Nein, Isa, das sehe ich anders. Wenn wir nie Leid erfahren würden, könnten wir auch die schönen Tage im Leben nicht genießen. Wir wüssten sie nicht zu schätzen. Etwas Gutes braucht immer auch etwas Schlechtes, damit man den Unterschied erkennt.«
»Steht das alles in deinen Büchern?« Ich überlege für einen Moment, ob ich nicht doch auch mal mit dem Lesen beginnen sollte.
»Nein, mein Kind. Das ist die Geschichte des Lebens, die jeder Mensch für sich selbst schreiben muss.« Sie zeigt auf die Stelle ihrer Brust, unter der ihr Herz schlägt. »Hier, hier musst du fühlen, dass du lebst. Mit aller Freude, aber auch allem Schmerz. Sonst ist das Leben irgendwann sinnlos.«
Ich nehme Charlotte in die Arme und drücke sie, so fest ich kann. Sie ist so ein wunderbarer Mensch, und ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich so viele Jahre schon neben ihr wohne und so wenig von ihr weiß.
»Und jetzt, Isa, jetzt verrate ich dir, was man noch dringender braucht außer all diesen schönen und schrecklichen Gefühlen.«
Ich schaue sie erwartungsfroh an und freue mich auf eine weitere Lebensweisheit.
»Eine schöne Tasse Tee!« Charlotte lacht. »Komm doch noch auf ein halbes Stündchen zu mir, ich habe einen Hefezopf gebacken, und der ist sowieso viel zu viel für mich allein.«
Als wir uns nicht nach einer halben, sondern nach sehr schönen anderthalb Stunden zum Abschied umarmen, fühle ich mich schon ein ganzes Stück besser, und als ich später in der Badewanne liege, frage ich mich ganz ohne Herzschmerz, was Tom wohl von mir wollte. Bei dem Gedanken, dass er vielleicht nur fragen wollte, ob er noch die graugestreifte Krawatte in meinem Schrank hängen hat, denn die würde er gerade suchen, weil er morgen seine Chantal ehelichen will, tauche ich ins Badewasser ab und schreie einmal wütend los. Dummerweise schlucke ich dabei etwas Badewasser, so dass ich prustend wieder auftauche und einen ordentlichen Schwall Schaum über den Wannenrand schwappen lasse. Das ist so bescheuert, dass ich sofort über mich selbst lachen muss. »Dann soll er sie eben heiraten«, murmle ich. »Und dann soll er bitte sofort sieben Schreibälger von seiner Schreckschraube bekommen und sich noch lange zu mir zurücksehnen, der Scheißkerl.« Ich wünsche, ich könnte ihm das jetzt sofort ins Gesicht sagen. Und zum Glück tut der Gedanke daran nicht weh.
Ich lasse den Tag Revue passieren: meine gute Laune, das aufregende Gefühl, als ich die Flyer verteilt habe, die schöne Zeit mit Charlotte. Sogar der kleine Herr Möller mit seinem Riesenrülpser schleicht sich in meine Erinnerung und lässt mich glucksen, als ich aus dem Badewasser steige. Das Leben kann so wunderbar sein, wenn man es sich selbst schön macht. Und weil die traurigen Momente dazugehören müssen, damit man die glücklichen zu schätzen weiß, werde ich sie ab sofort als Hilfestellung für eine glückliche Zukunft sehen. Ich glaube, Charlotte hat wirklich recht mit dem, was sie sagte: Die Geschichte seines Lebens schreibt man am Ende selbst. Ich stehe vor dem Spiegel und schaue mich an, so wie vor einiger Zeit, als ich versucht habe, mir einzureden, dass ich schön und begehrenswert bin. Damals hat mich das, was ich gesehen habe, traurig gemacht. Und jetzt? Jetzt sehe ich eine Frau, die
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