Märchen aus 1001 Nacht
der Höhle einige Maultiere stehen. Sie verwunderten sich höchlichst darüber, wie die Tiere hierher gekommen waren; denn da Karim vergessen hatte, sie anzubinden oder ihre FüÃe zu fesseln, waren sie ins Dickicht gewandert und grasten hier und dort. Indessen achteten die Räuber wenig auf die verlaufenen Tiere und gaben sich nicht die Mühe, sie einzufangen, sondern verwunderten sich allein darüber, dass sie sich so weit von der Stadt verlaufen hatten. Nachdem Sie die Höhle erreicht hatten, stieg der Hauptmann mit seinem Trupp ab und trat vor den Eingang, worauf er die Zauberformel sprach, durch welche die Tür sofort aufsprang. Nun hatte aber Karim die Pferdehufe näher und näher kommen gehört und war vor Schrecken zu Boden gefallen, da er überzeugt war, dass das Getrampel von den Räubern herrührte, die ihn ohne Gnade niederhauen würden. Indessen fasste er wieder Mut und in demselben Augenblick, als die Tür aufsprang, stürzte er hinaus, in der Hoffnung zu entrinnen. Zu seinem Unglück rannte er jedoch mit voller Kraft gegen den Hauptmann, der an der Spitze der Bande stand und warf ihn auf den Boden, worauf ein Räuber, der dicht bei seinem Hauptmann stand, sein Schwert zog und ihn mit einem Schwerthieb auseinanderspaltete. Hierauf stürzten die Räuber in die Höhle und legten die Geldsäcke, die Karim an dem Eingang aufgehäuft hatte, um sie fortzuschaffen, an Ort und Stelle. Vor Staunen und Bestürzung achteten sie gar nicht auf die verschwundenen Geldsäcke, die Ali Baba fortgenommen hatte, sondern zerbrachen sich allein den Kopf, in welcher Weise der fremde Mann in die Höhle gelangt war. Alle erkannten, dass es keinem möglich war, durch die Luken einzusteigen, da die Felsenwand zu steil und hoch und glatt war; ebenso aber konnte auch niemand durch den Eingang herein, ohne die Zauberworte zu wissen, durch die sich die Felsenwand allein auftat. SchlieÃlich vierteilten Sie Karims Leichnam und hängten ihn in der Höhle neben dem Eingang auf, zwei Stücke zur Rechten und die beiden anderen zur Linken, damit ihr Anblick für alle, welche die Höhle zu betreten wagten, eine Warnung ihres bevorstehenden Schicksals wäre. Dann schritten sie wieder hinaus und verschlossen die Tür ihres Schatzes, worauf sie zu ihrem gewohnten Werk fortritten.
Als nun die Nacht hereinbrach und Karim nicht nach Hause kam, wurde seine Frau unruhig, sodass sie zu Ali Baba herüberlief und zu ihm sagte: âO mein Bruder, Karim ist nicht heimgekehrt; du weiÃt, wohin er gegangen ist und ich bin in schwerer Sorge, dass ihm ein Unfall zugestoÃen ist.â Ali Baba vermutete gleichfalls, dass ihn ein Unfall an der Heimkehr gehindert hätte, indessen versuchte er, seine Schwägerin mit beruhigenden Worten zu trösten und sagte: âO Weib meines Bruders, vielleicht will Karim nicht gesehen werden und kommt, um die Stadt zu vermeiden, auf einem Hinterpfad her. Er wird sicherlich bald hier sein und dies, glaube ich, ist allein der Grund seines Ausbleibens.â Hierauf kehrte Karims Frau beruhigt wieder heim und wartete auf die Rückkehr ihres Gatten; als aber die Hälfte der Nacht verstrichen und er noch immer nicht eingetroffen war, wurde sie wie verstört. Da sie jedoch fürchtete, dass ihre Nachbarn, wenn sie vor Kummer laut schrie, zu ihr kommen könnten und so das Geheimnis erführen, weinte sie still vor sich hin und sprach bei sich, indem sie sich Vorwürfe machte: Weshalb entdeckte ich ihm dieses Geheimnis und machte ihn auf Ali Baba neidisch und eifersüchtig? Dies ist nun die Folge davon und das Unglück, das nun über mich gekommen ist, rührt davon her. Bitterlich weinend verbrachte sie die Nacht und eilte in der ersten Morgenfrühe, so schnell sie konnte, zu Ali Baba und bat ihn, seinen Bruder zu suchen. Ali Baba versuchte sie zu trösten und machte sich mit seinen Eseln sofort auf den Weg zum Wald. Als er die Felsenwand erreichte, verwunderte er sich, Flecken frisch vergossenen Blutes zu sehen und da er weder seinen Bruder noch die zehn Maultiere fand, ahnte er aus diesem bösen Zeichen ein Unglück: Dann trat er an die Tür und rief: âSesam, tue dich auf!â, worauf er eintrat und die eine Hälfte von Karims Leichnam zur linken und die andere zur rechten Seite der Tür hängen sah. Wiewohl er über die MaÃen erschrocken war, wickelte er die Stücke in zwei Tücher und
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