Märchen aus 1001 Nacht
war, mit Ausnahme des Ladens Baba Mustafas, des Schneiders, der mit Faden und Nadel in der Hand auf seinem Arbeitsschemel saÃ. Der Räuber wünschte ihm einen guten Tag und sagte: âEs ist noch dunkel; wie kannst du zum Nähen sehen?â Der Schneider erwiderte: âIch merke, dass du ein Fremder bist. Trotz meiner Jahre ist mein Augenlicht noch so scharf, dass ich erst gestern einen Leichnam in einem dunklen Raum zusammennähte.â Da sprach der Räuber bei sich: Von diesem Schneider werde ich das Gewünschte erfahren. Um noch weiteren Aufschluss zu erhalten, sagte er dann: âMir scheint, du willst mit mir scherzen und willst sagen, dass du ein Leichentuch für einen Toten nähtest und dass dein Handwerk das Nähen von Leichentüchern ist.â Der Schneider versetzte: âDas geht dich nichts an; frag mich nicht weiter.â Da legte der Räuber einen Aschrafi in seine Hand und fuhr fort: âIch wünsche nichts von dem, was du verhehlst, zu erfahren, wiewohl meine Brust wie die eines jeden ehrenwerten Mannes das Grab der Geheimnisse ist. Ich möchte nur von dir wissen, in welchem Hause du dieses Kunststück vollführtest. Kannst du mich dorthin weisen oder selber hinführen?â Der Schneider nahm habgierig das Goldstück und rief: âIch habe den Weg nicht gesehen; eine Sklavin führte mich zu einer Stelle, die ich genau kenne, worauf sie mir die Augen verband und mich nach einer Wohnung führte, wo sie mich in ein dunkles Zimmer, in dem der zerstückelte Tote lag, geleitete. Hier nahm sie mir das Tuch ab und befahl mir, zuerst den Leichnam und dann das Totenlaken zu nähen, worauf sie mir wieder die Augen verband und mich zur Stelle zurück führte, von wo sie mich geleitet hatte und mich dort verlieÃ, du siehst also, dass ich nicht imstande bin, dir zu sagen, wo du das Haus findest.â Der Räuber versetzte: âWenn du auch nicht die betreffende Wohnung kennst, so kannst du mich doch zu der Stelle führen, wo dir die Augen verbunden wurden und dort will ich dir ein Tuch um die Augen binden und dich leiten, wie du geleitet wurdest; in dieser Weise magst du vielleicht das Haus ausfindig machen. Wenn du mir diesen Gefallen tun willst, so sollst du noch einen Aschrafi bekommen.â
Hierauf lieà der Räuber noch ein Goldstück in die Hand des Schneiders gleiten und Baba Mustafa steckte es mit dem ersten in seine Tasche; dann lieà er seinen Laden, wie er war und ging mit dem Räuber zu dem Platz, wo ihm Mardschane die Augen verbunden hatte. Dort angelangt, verband ihm der Räuber ebenfalls die Augen und leitete ihn bei der Hand, während Baba Mustafa, der schlau und scharfsinnig war, sofort die StraÃe, die ihn die Sklavin geführt hatte, einschlug und Schritt für Schritt zählte, bis er plötzlich hielt und rief: âBis hierher schritt ich mit ihr.â Und da standen beide vor Karims Haus, in dem nunmehr sein Bruder Ali Baba wohnte. Nachdem der Räuber die Tür mit weiÃem Kalk gekennzeichnet hatte, um sie später mit Leichtigkeit wieder zu finden, nahm er die Binde dem Schneider von den Augen und sagte zu ihm: âO Baba Mustafa, ich danke dir für diese Freundlichkeit; Allah, der Erhabene, lohne dir deine Güte! Sag mir nun, ich bitte dich, wer wohnt in jenem Hause?â Der Schneider erwiderte: âFürwahr, ich weià es nicht; ich kenne dieses Viertel der Stadt zu wenig.â Wie nun der Räuber merkte, dass er von dem Schneider keinen weiteren Aufschluss erhalten konnte, entlieà er ihn mit überreichem Dank zu seinem Laden und eilte in das Dickicht zu dem verabredeten Platz zurück, wo die Schar auf sein Kommen wartete.
Nicht lange hernach traf es sich jedoch, dass Mardschane eines Geschäftes wegen auszugehen hatte und voll höchster Verwunderung die weiÃen Kalkzeichen erblickte. Sie hielt eine Weile in tiefen Gedanken an und vermutete, dass irgendein Feind die Zeichen gemacht haben müsste, um das Haus zu erkennen und ihrem Herrn irgendetwas anzutun. Infolgedessen zeichnete sie die Türen der Nachbarn in gleicher Weise und hielt die Sache geheim vor ihrem Herrn und ihrer Herrin. Inzwischen berichtete der Räuber seinen Kameraden sein Abenteuer und erzählte ihnen, wie er hinter die Sache gekommen war. Da begaben sich der Hauptmann und seine ganze Bande einzeln auf verschiedenen Wegen in die Stadt und der Räuber, der die Tür gezeichnet
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