Märchen aus 1001 Nacht
begleiten, worauf sie noch ein Goldstück in seine Hand legte und in ihn drang, ihr zu folgen. SchlieÃlich willigte der Schneider in seiner Geldgier ein und sie führte ihn, nachdem sie ihm die Augen verbunden hatte, bei der Hand zu dem Hause, in dem der Leichnam ihres Herrn lag. Sie nahm ihm in dem dunklen Raum die Binde ab und forderte ihn auf, die vier Stücke des Leichnams, Glied an Glied, wieder zusammenzunähen und als er dies getan hatte, warf sie ein Tuch über den Körper und sagte zu ihm: âEile dich und nähe mir ein Leichentuch entsprechend der GröÃe dieses Toten, wofür ich noch einen Dukaten geben will.â Baba Mustafa nähte das Tuch schnell in der passenden Länge und Breite, worauf ihm Mardschane das versprochene Goldstück schenkte. Dann verband sie ihm wieder die Augen und führte ihn zu dem Platz zurück, von dem sie ihn geholt hatte. Hierauf eilte sie nach Hause und wusch mit Ali Ba- bas Hilfe den Leichnam in warmem Wasser; dann wickelte sie ihn in das Leichentuch und legte den Körper, bereit zum Begräbnis, auf einen reinen Platz. Hierauf begab sie sich zur Moschee und benachrichtigte einen Imam, dass ein Leichenbegängnis die Leidtragenden in dem und dem Haus erwartete, indem sie ihn zugleich bat, zu kommen und die Gebe te für den Verstorbenen zu lesen. Der Imam folgte ihr und vier Nachbarn luden die Bahre auf und trugen sie auf ihren Schultern fort, begleitet von dem Imam und anderen, die solchen Feierlichkeiten gewöhnlich beizuwohnen pflegten. Nach Beendigung der Leichengebete trugen vier andere Männer die Bahre fort, während Mardschane ihr barhaupt voranschritt und sich weinend und laut jammernd die Brust schlug und Ali Baba mit den Nachbarn hinterdrein schritt. In solchem Zuge betraten sie den Totenacker und bestatteten ihn, worauf sie, ihn den Todesengeln überlassend, ihres Weges gingen. Dann versammelten sich die Frauen jenes Viertels nach dem Brauch der Stadt in dem Trauerhaus und saÃen eine Stunde bei Karims Witwe, ihr kondolierend und Trost zusprechend, worauf sie sie etwas gefasster und ruhiger verlieÃen. Ali Baba hielt sich vierzig Tage, wie es die Zeremonie vorschrieb, seinen Bruder betrauernd zu Hause; und so erfuhr auÃer ihm, der Frau seines Bruders und Mardschane keiner etwas von dem Geheimnis. Als dann die vierzig Tage der Trauer verstrichen waren, schaffte Ali Baba alles Gut des Verstorbenen in seine eigene Wohnung und heiratete öffentlich die Witwe, worauf er seinen Neffen, den ältesten Sohn seines Bruders, der lange Zeit bei einem reichen Kaufmann gelebt hatte und in allen Geschäftsangelegenheiten, wie Kaufen und Verkaufen, wohl bewandert war, zur Ãbernahme des Ladens des Verstorbenen und zur Weiterführung der Geschäfte bestimmte. Als die Räuber nun eines Tages wieder wie gewöhnlich zu ihrer Höhle zurück kehrten, verwunderten sie sich über die MaÃen, kein Zeichen und nicht die geringste Spur von Karims Leichnam zu finden, während sie bemerkten, dass eine Menge Gold fortgeschafft war. Da sagte der Hauptmann: âWir müssen die Sache untersuchen, oder wir erleiden groÃen Verlust und dieser unser Schatz, den wir und unsere Väter im Laufe vieler Jahre aufgehäuft haben, schwindet nach und nach hin und wird völlig geplündert.â Alle pflichteten dem bei und stimmten darin überein, dass der von ihnen Ermordete von dem Zauberwort Kenntnis gehabt haben musste; auÃerdem aber müsste noch ein andrer den Zauber gekannt und den Leichnam zugleich mit einer Menge Gold fortgeschleppt haben, weshalb sie genaue Nachforschungen anstellen und den Mann ausfindig machen müssten. Hierauf berieten sie untereinander und beschlossen, dass der Verschlagenste und Schlauste unter ihnen, als fremder Kaufmann verkleidet, in die Stadt ginge und, von Viertel zu Viertel und StraÃe zu StraÃe wandernd, sich erkundigte, ob in der letzten Zeit jemand gestorben sei und, wenn dies der Fall wäre, wo er wohnte, damit sie durch diesen Anhaltspunkt instand gesetzt seien, den Mann, den sie suchten, zu finden. Da sagte einer der Räuber: âLasst mich in die Stadt gehen und Erkundigungen einziehen; wenn ich nichts erreiche, so sei mein Leben verwirkt.â Sie gewährten ihm seine Bitte und so begab sich der Räuber in Verkleidung zur Nacht in die Stadt und suchte am nächsten Morgen in der Frühe den Basar auf, wo er sah, dass noch kein Laden geöffnet
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