Märchen aus 1001 Nacht
Mitte des Saales zu ihren Schwestern kam; und sie sprach: âWas steht ihr da? Nehmt die Last von dem Haupte des armen Trägers!â Alsbald trat die Wirtschafterin vor ihn hin und die Pförtnerin trat hinter ihn und die dritte half ihnen beiden und sie hoben den Korb von des Trägers Kopf, leerten ihn und legten alles an seinen Ort. Und schlieÃlich gaben sie dem Träger zwei Goldstücke und sagten: âZieh deines Weges, O Träger!â Aber er blickte die Damen an und ihre groÃe Schönheit und feinen Züge; denn er hatte noch nie etwas Schöneres gesehen als sie, doch es fand sich kein Mann bei ihnen. Und ferner blickte er auf den Wein, die Früchte, die Blumen und alle anderen guten Dinge, die bei ihnen waren. So geriet er in höchstes Erstaunen und zögerte mit dem Gehen; da sprach die eine der Damen: âWas ist dir? Warum gehst du nicht? Hältst du vielleicht den Lohn für zu gering?â Dann wandte sie sich zu ihrer Schwester und sprach: âGib ihm noch einen Dinar!â Doch der Träger erwiderte: âBei Allah, Herrin, ich halte den Lohn nicht für zu gering; mein Lohn beträgt kaum zwei dirhems; nein, mein Herz und meine Seele denken nur an euch. Wie kommt es, dass ihr so allein seid, ohne einen Mann bei euch zu haben oder irgendjemand, der euch Gesellschaft leistet? Ihr wisst doch, dass der Turm der Moschee nur auf vier Grundmauern stehen kann; aber euch fehlt die vierte! Das Vergnügen der Frauen wird doch erst durch die Männer vollkommen, wie es im Liede heiÃt:
Siehst du nicht, zur Lust sind vier von Nöten:
Harfe, Laute, Zither und die Flöten!
Und vier Düfte müssen sie umkosen:
Myrten, Levkojen, Anemonen und Rosen.
All dies wird nur durch vier andre hold:
Wein und Jugend, Liebe und Gold.
âIhr seid drei und entbehret eines vierten, der ein verständiger und kluger Mann sein muss, scharf von Witz und fähig, Geheimnisse zu bewahren.â Als sie seine Worte hörten, hatten sie ihre Freude daran und sie lachten über ihn und sagten: âUnd wer ist das für uns? Wir sind Jungfrauen und wir fürchten uns, unser Geheimnis jemandem zu vertrauen, der es nicht bewahrt, denn wir haben in einer Erzählung gelesen, was der Dichter Ibn eth- Thumam gesagt hat:
Bewahr dein Geheimnis mit Eifer! Tu es niemandem kund! Denn wer sein Geheimnis verrät, verliert es zur selbigen Stund. Und wenn deine eigene Brust dein Geheimnis nicht fassen kann, Wie kann dessen Brust es fassen, dem du es kundgetan?
Und auch Abu Nuwas sagte vortrefflich:
Wer den Menschen sein Geheimnis berichtet,
Verdient, dass der Brand ihm die Stirne vernichtet.â
Aber als der Träger ihre Worte hörte, erwiderte er: âBei eurem Leben! Ich bin ein verständiger und zuverlässiger Mann, ich habe die Bücher gelesen und die Chroniken studiert; ich zeige das Schöne und verberge das Hässliche, wie es im Dichterwort heiÃtâ und er sprach die Verse:
Es bewahrt das Geheimnis nur der verlässliche Mann;
Und das Geheimnis ist bei dem besten Menschen versiegelt.
Bei mir ist das Geheimnis in einem verschlossenen Haus;
Die Schlüssel dazu sind verloren und das Tor ist verriegelt.
Als die Damen die Verse und was er ihnen kundtat, gehörte hatten, da sagten sie: âdu weiÃt, wir haben für diesen Bau eine groÃe Summe Geldes verbraucht. Hast du etwas für uns zum Entgelt dafür? Denn wir werden dir nicht gestatten, dass du bei uns sitzest als unser Tischgenosse und in unsere reizenden, schönen Gesichter blickest, ohne dass du uns eine Summe Geldes zahlst. Kennst ~u nicht das Sprichwort: Liebe ohne einen Deut nützt keinen Deut?â Und die Pförtnerin fügte hinzu: âBringst du etwas, mein Freund, so bist du etwas; bringst du nichts, zieh ab mit nichts!â Da aber sagte die Wirtschafterin: Schwestern, lasst doch ab von ihm; denn, bei Allah, er hat ins heute nicht im Stich gelassen und wäre er anders,gewesen, er hätte nie mit uns Geduld gehabt. Was für Verpflichtungen ihn auch treffen mögen, ich nehme sie auf mich.â Da freute sich der Träger, küsste den Boden, dankte ihr und sprach: âBei Allah, mein erstes Geld erhielt ich heute von dir aus.â Nun sagten sie: âSetze dich und sei uns willkommen!â und die Dame vom Thronsessel fügte hinzu: âBei Allah, wir können dich nur unter einer Bedingung bei uns sitzen lassen und die ist, dass du
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