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Märchen aus 1001 Nacht

Märchen aus 1001 Nacht

Titel: Märchen aus 1001 Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Lempertz GmbH
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übrig war; denn die Zeit hatte ihn hart mitgenommen und er sah aus, als ob er schon tot sei. Er trug ein Gewand, das aus blauen Fetzen bestand, durch das nach West und Ost der Wind hindurch pfiff. Von ihm sagt der Dichter:
    Die Zeit erschreckt,o welch ein Schreck!
    Die Zeit hat Kraft und bleibt bestehn;
    Einst könnt ich gehn und war nicht krank, 
    Heut bin ich krank und kann nicht gehn.
    Die Hand des Alten lag in der Hand eines Jünglings, der schien, als sei er gegossen in der Form der Lieblichkeit, der Anmut und der Vollkommenheit, sodass seine Schönheit zum Sprichwort wurde weit und breit; wie ein Reis so zart war seine Art, er bezauberte jedes Herz durch seine liebliche Gestalt und durch seinen zärtlichen Blick zwang er jeden Sinn in seine Gewalt. Wie der Dichter von ihm sprach, als er sang:
    Man brachte die Schönheit, um ihn zu vergleichen;
    Da senkte die Schönheit beschämt ihr Haupt.
    Man sprach: O Schönheit, sahst du dergleichen?
    Sie rief: Das zu sehn hätt ich nie geglaubt.
    Sie gingen nun weiter, O Herrin, bis sie zu der Falltür kamen; alle stiegen durch die Falltür hinab und blieben eine Stunde oder noch länger verschwunden. Schließlich aber kamen die Sklaven und der Greis wieder heraus, doch der Jüngling war nicht bei ihnen. Dann legten sie die Platte wieder so hin, wie sie vorher gewesen war, bestiegen das Schiff und schwanden mir aus den Augen. Als sie nun fort waren, stieg ich vom Baum herab, ging zu der zugeschütteten Stelle, grub in der Erde und schaffte sie beiseite; aber ich musste meine Geduld zügeln, bis ich alle Erde weggeschafft hatte. Da wurde die Falltür bloßgelegt; sie war aus Holz und von der Größe eines Mühlsteins; und als ich sie aufhob, wurde darunter eine steinerne Wendeltreppe sichtbar. Ich staunte darüber und stieg die Treppe hinab, bis ich bei ihrem Ende anlangte und fand eine schöne Halle, ausgestattet mit allerlei Teppichen und Seidenstoffen. Dort saß der Jüngling auf einem erhöhten Lager, gelehnt gegen ein rundes Kissen, in der Hand einen Fächer und vor sich Blumen und süßduftende Kräuter; doch er war ganz allein. Als er mich sah, erbleichte er; ich aber grüßte ihn und sprach zu ihm: “Sei ruhigen Herzens und unbesorgt, nichts Arges soll dir nahen! Ich bin ein Mensch wie du und der Sohn eines Königs. Das Schicksal führte mich zu dir, um dich in deiner Einsamkeit aufzuheitern. Doch was ist dir geschehen, was ist dir widerfahren, dass du so allein unter der Erde wohnst?” Als er sicher war, dass ich wie er zum Menschengeschlecht gehörte, freute er sich und seine Farbe kehrte zurück; und er bat mich, näher zu treten und sagt: “Mein Bruder, meine Geschichte ist seltsam und sie ist diese: Mein Vater ist ein Juwelenhändler und hat einen großen Handel und schwarze und weiße Sklaven; Kaufleute reisen für ihn auf Schiffen mit den Waren bis zu den fernsten Ländern, mit Kamelkarawanen und reichen Gütern; aber er wurde nie mit einem Kinde gesegnet. Nun träumte er einmal, ihm werde ein Sohn geschenkt werden, doch werde der nicht lange leben; und am nächsten Morgen wachte mein Vater weinend und klagend auf. In der folgenden Nacht empfing mich meine Mutter und mein Vater schrieb sich den Tag ihrer Empfängnis auf. Als dann ihre Zeit erfüllet war, gebar sie mich; mein Vater freute sich und gab Gastmähler und speiste die Fakire und die Armen, weil er am Ende seines Lebens noch mit mir gesegnet wurde. Dann versammelte er die Sterndeuter und die Männer, die da die Stellungen der Planeten kannten und die Weisen der Zeit und solche, die in Berechnungen und Horoskopen erfahren waren; die stellten mein Horoskop und sagten zu meinem Vater: “dein Sohn wird bis zu seinem fünfzehnten Jahre leben, aber dann droht ihm Gefahr; wenn er sie übersteht, so wird er noch lange Zeit am Leben bleiben. Was ihm mit dem Tode droht, ist dieses: Im Meere der Gefahren erhebt sich der Magnetberg; auf seinem Gipfel befindet sich ein Reiter auf einem Rosse aus Kupfer und auf der Brust des Reiters hängt eine Tafel aus Blei. Fünfzig Tage, nachdem dieser Reiter von seinem Rosse fällt, wird dein Sohn sterben und töten wird ihn der, der den Reiter herab schießt, ein Fürst namens “Adschib, Sohn des Chadib”.” Da wurde mein Vater sehr traurig; dann zog er mich auf und gab mir eine vortreffliche Erziehung, bis ich fünfzehn

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