Märchen aus 1001 Nacht
auf, schlug mir das Gesicht, zerriss meine Kleider und sagte: âWahrlich, wir sind Allahs Geschöpfe und zu ihm kehren wir zurück, O ihr Muslime! Dieser Jüngling war von dem Augenblicke der Gefahr, den die Sterndeuter und Weisen für den vierzigsten Tag angegeben hatten, nur noch durch eine Nacht getrennt; und der vorbestimmte Tod dieses Schönen sollte aus meiner Hand kommen. Wollte der Himmel, ich hätte nicht versucht, die Melone zu schneiden. Welch ein Unstern! Welche Trübsal! Doch Allah möge vollenden, was geschehen sollte!â
Als ich sicher war, dass ich ihn getötet hatte, stand ich auf und stieg die Treppe empor, legte die Falltür wieder an ihre Stelle und bedeckte sie mit Erde. Dann blickte ich aufs Meer hinaus und sah das Schiff durch die Wasser schneiden und auf die Insel zuhalten. Und ich erschrak und sagte: âJetzt werden sie kommen und den Jüngling tot antreffen; dann werden sie wissen, dass ich ihn getötet hatte und ganz sicher werden sie mich töten.â Darum ging ich zu einem hohen Baum, kletterte hinauf und verbarg mich in seinen Blättern; und kaum saà ich auf dem Baume, da stiegen die Sklaven mit dem Greise, dem Vater des Jünglings, an Land und gingen auf die Stelle zu. Sie schaufelten die Erde beiseite, fanden die Falltür, stiegen hinab und sahen den Jüngling daliegen, das Antlitz noch strahlend vom Bade, gekleidet in reine Gewänder und das Messer tief in der Brust. Da schrien sie laut und weinten, schlugen sich die Gesichter und riefen Weh und Verderben. Der Greis aber fiel in eine lange Ohnmacht und die Sklaven glaubten, er würde seinen Sohn nicht überleben. Dann hüllten sie den Jüngling in seine Kleider und deckten ihn mit einem seidenen Leichentuch zu. Nun machten sie sich auf, um zum Schiffe zurückzukehren und auch der Greis erhob sich. Als er aber seinen Sohn daliegen sah, sank er zu Boden und streute sich Staub auf den Kopf, schlug sich das Gesicht und raufte sich den Bart aus; und stärker nur wurde sein Weinen, als er des ermordeten Sohnes gedachte und nochmals sank er in Ohnmacht. Dann kam ein Sklave und brachte eine seidene Decke; sie legten den Alten auf ein Polster und setzten sich zu seinen Häupten. All das geschah, während ich in dem Baume über ihnen saà und sah, was vorging; und das Herz wurde mir von dem Kummer und dem Schmerz, den ich erlitt, grau, ehe mein Haupt ergraute; und ich sprach die Verse:
Wie manche Gnade Allahs ist so tief versteckt,
Dass der Verstand des Weisen selbst sie nicht entdeckt!
Wie mancher Morgen hebt für dich mit Trauer an;
Und doch - am Abend kommet zu dir die Freude dann!
Wie manches Glück erscheint doch erst nach einem Schmerz,
Befreiet dann von Kummer das bedrängte Herz!
Aber der Alte, O meine Herrin, erwachte nicht aus seiner Ohnmacht bis nahe vor Sonnenuntergang; als er dann zu sich kam und auf seinen Sohn blickte und daran dachte, was geschehen war und was er gefürchtet hatte, da warf er sich auf ihn und er schlug sich das Gesicht und das Haupt und sprach diese Verse:
Das Herz ist seit der Trennung von dem Geliebten zerbrochen;
Seht doch, wie meine Tränen mir aus den Augen rinnen!
Es schwand die Sehnsucht mit ihm in die Ferne und, ach, mein Leid!
Ich weià nicht, was soll ich nun sagen, was soll ich beginnen?
O hätte ich ihn doch nie in meinem Leben gesehn!
Jetzt ist meine Kraft dahin, mir sind alle Wege verschlossen.
Wie kann ich denn einen Trost noch finden, da Feuerbrand
Der Liebe in mein Herz mit lodernder Flamme geflossen?
O hätte doch das Geschick des Todes ihn so ereilt,
Dass zwischen uns keine Trennung mehr sei für alle Zeiten!
Ich bitte dich, O Allah, sei du doch gütig mit uns,
Vereine mich mit ihm in alle Ewigkeiten!
Wie schön erging es uns, als dasselbe Dach uns umfing
Und wir in sorglosem Glück hinlebten innig verbunden,
Bis wir getroffen wurden vom Trennungspfeil, der uns schied!
Und wer istâs, den die Pfeile der Trennung nicht verwunden?
Ja, da traf den Liebsten der Menschen das böse Geschick;
Der einzige seiner Zeit lag da in Schönheit verkläret.
Ich sprach zu ihm, doch die Sprache des Schicksals kam mir zuvor:
Mein Sohn, O wäre doch nie ein solches Ziel uns bescheret!
Wo ist der Weg, auf dem ich dich eilends treffen kann?
O könnte ich für dich, mein Sohn, die Seele als Lösegeld zahlen!
Nenn ich dich Mond? Doch nein, des Mondes Licht vergeht.
Oder nenn
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