Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Märchen aus 1001 Nacht

Märchen aus 1001 Nacht

Titel: Märchen aus 1001 Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Lempertz GmbH
Vom Netzwerk:
niedersteigen und auf uns zukommen. Seine Augen glichen zwei feurigen Flammen, seine Augenzähne hatten die Größe von Eberhauern, sein Maul glich einer Brunnenöffnung, seine Lippen hingen wie Kamellefzen auf seine Brust, seine Ohren wie Decken auf seine Schultern und seine Fingernägel waren wie die Klauen eines Löwen. Als wir diese schreckliche Gestalt erblickten, schwanden uns fast die Sinne und Furcht und Grausen packten uns so stark, dass wir vor Entsetzen wie Tote waren.
    Als nun der Riese auf ebener Erde angelangt war, setzte er sich auf die Steinbank; nach kurzer Zeit erhob er sich jedoch wieder, kam auf uns zu, ergriff mich mitten unter meinen Gefährten, den Kaufleuten, bei der Hand, hob mich hoch vom Boden empor, befühlte mich, wie ein Schlächter das Schaf befühlt, das er schlachten will und kehrte mich dabei wie einen kleinen Bissen in seiner Hand um und um; da er mich jedoch infolge der vielen Aufregungen und den Mühsalen der Fahrt schwach, abgemagert und ohne irgendwelches Fleisch an den Knochen fand, ließ er mich wieder aus seiner Hand los und nahm einen anderen meiner Gefährten, welchen er, nachdem er ihn in gleicher Weise wie mich umgekehrt und betastet hatte, ebenfalls wieder losließ; in dieser Weise befühlte er einen nach dem anderen von uns und kehrte ihn dabei um und um, bis er an den Schiffskapitän kam, der ein fetter, vierschrötiger, breitschultriger und strammer Kerl war. Zufrieden mit ihm, packte er ihn, wie der Schlächter das Schlachttier packt, warf ihn auf den Boden und brach ihm durch einen Fußtritt den Nacken, worauf er einen langen Bratspieß holte und ihm durch die Gurgel stieß, dass er ihm zum Rücken herauskam. Hierauf zündete er ein großes Feuer an und setzte den Bratspieß mit dem daran aufgespießten Kapitän über das Feuer, ihn so lange über den Kohlen drehend, bis sein Fleisch geröstet war. Alsdann nahm er ihn wieder vom Feuer herunter, legte ihn vor sich, zerriss ihn, wie man wohl ein Küken zerreißt und fraß ihn auf, indem er das Fleisch mit seinen Klauen von den Knochen riss. Als er sein Fleisch verzehrt und die Knochen abgenagt hatte, warf er die wenigen übrig gebliebenen Knochen auf die Seite. Dann setzte er sich wieder und legte sich nach kurzer Zeit auf die Steinbank nieder, worauf er einschlief und im Schlaf wie ein Schaf oder ein Stück Vieh mit durchschnittener Gurgel schnarchte; am Morgen erst erwachte er wieder und ging seines Weges.
    Als wir uns vergewissert hatten, dass er fortgegangen war, hoben wir an, miteinander zu sprechen und klagten, indem wir unser Los beweinten. “Ach, dass wir doch im Meer ertrunken wären oder dass uns die Affen aufgefressen hätten! Das wäre ein leichterer Tod gewesen, als hier auf glühenden Kohlen geröstet zu werden. Bei Allah, solch ein Tod ist gemein, jedoch, was Allah will, das geschieht; es gibt keine Macht und keine Kraft außer bei Allah, dem Hohen und Erhabenen! Wir müssen hier elendiglich umkommen, ohne dass irgendjemand etwas von uns erfährt und es gibt für uns kein Entkommen von diesem Ort.” Hierauf erhoben wir uns und streiften durch die Insel, um uns ein Versteck aufzusuchen oder noch lieber zu entfliehen, da uns der Tod ein leichtes Ding dünkte, wenn wir nur nicht über dem Feuer geröstet würden. Wir fanden jedoch kein Versteck und da auch der Abend uns überfiel, kehrten wir in unserer großen Angst wieder zurück ins Schloss und setzten uns. Nicht lange nachher erbebte mit einem Male die Erde unter uns und jenes schwarze Ungetüm kam wieder auf uns los und kehrte wie das erste Mal einen nach dem anderen von uns um und befühlte uns, bis ihm einer gefiel, worauf er ihn packte und mit ihm ganz so wie tags zuvor mit dem Kapitän verfuhr. Nachdem er ihn geröstet und auf der Bank aufgefressen hatte, schlief er wieder die Nacht über und schnarchte dabei wieder wie ein abgeschlachtetes Stück Vieh, um sich dann bei Tagesanbruch zu erheben und, uns wie zuvor verlassend, seines Weges zu gehen. Da rückten wir zusammen und redeten miteinander und sprachen: “Bei Allah, stürzten wir uns ins Meer und fänden wir so den Tod durch Ertrinken, so wäre es besser, als hier gebraten zu werden und auf so abscheuliche Weise umzukommen!” Einer von uns aber sagte nun:
    â€œHört auf meine Worte, meine Brüder; wir wollen einen Plan ersinnen, wie wir ihn umbringen

Weitere Kostenlose Bücher