Märchen aus 1001 Nacht
sie leer und ausgestorben da und man hörte keinen Laut in ihr und sah kein menschliches Wesen; nur die Eulen stöhnten in ihr, die Vögel kreisten über die Plätze und die Raben krächzten in ihren StraÃen und weinten über ihre entschwundenen Bewohner. Der Emir Musa stand da und rief, voll Kummer über ihre Leere und Verlassenheit von jeglichem Bewohner: âPreis Ihm, den die Wechsel und Zeiten nicht ändern, der die Geschöpfe in seiner Allmacht erschaffen hat!â Während er aber Allah, den Mächtigen und Herrlichen, lobpreiste, fiel sein Blick seitwärts und er sah sieben Tafeln aus weiÃem Marmor in der Ferne schimmern. Da trat er an sie heran und als er nun sah, dass auf ihnen Schriftzüge eingegraben waren, befahl er dem Scheich Abd es- Samad, sie zu lesen. Infolgedessen trat der Scheich an sie heran und fand, sie betrachtend, Warnungen, Ermahnungen und Drohungen für Leute von Einsicht auf ihnen eingegraben. Auf der ersten Tafel stand: âO Menschensohn, wie achtlos bist du doch um das, was vor dir liegt! Fürwahr, deine Jahre haben es dich vergessen lassen. WeiÃt du nicht, dass der Becher des Todes für dich bis zum Rand gefüllt ist und dass du ihn binnen kurzem hinunterschlucken wirst? Denk daher an deine Seele, bevor du in deine Grube hinunterfährst. Wo sind die Könige, welche die Länder beherrschten und Allahs Diener erniedrigten und Heere anführten? Bei Allah, der Zerstörer der Freuden, der Trenner der Vereinigungen und der Verwüster der Wohnungen fuhr nieder auf sie und trug sie aus den weiten Palästen hinüber in die engen Gräber.â Am FuÃende der Tafel standen dann noch folgende Verse:
Wo sind die Könige und wo der Erde Bewohner?
Verlassen haben sie, was sie gebaut und bewohnt haben,Â
Und ruhen in den Gräbern als Pfänder ihrer Werke,Â
Wo sie nach ihrer Vernichtung verwesten.
Wo sind ihre Heere? Sie schirmten nicht und frommten nichts;Â
Und wo sind die Schätze, die sie zusammengescharrt und aufgespeichert hatten?
Der Spruch des Herrn des Thrones brach über sie hereinÂ
Und da schützte sie kein Gut und kein Asyl.
Als der Emir Musa diese Verse vernahm, schrie er laut auf und rief mit tränenüberströmten Wangen: âBei Allah: Weltentsagung, das ist das Glück und die höchste Weisheit! â Alsdann lieà er sich Tinte und Papier bringen und schrieb sich alles, was auf der ersten Tafel stand, auf. Hierauf schritt er weiter von Tafel zu Tafel und fand auf allen Sprüche und Verse gleichen Inhalts; auf der letzten aber stand geschrieben:
Wer legte das Fundament zu diesen Riesenbauten,Â
Wer führte sie auf und baute sie so hoch?
Wo ist das Volk, das die Burgen bewohnte?
Ach, alle mussten die Festen verlassen.
In den Gräbern ruhn sie gebettet als Pfand für den Tag,Â
Da alles Verborgne ans Licht kommt.
Nichts ist bleibend als allein Allah, der Erhabene
und ewig währe seine Herrlichkeit!
Als der Emir diese Verse aufgezeichnet hatte, rief er: âEs gibt keinen Allah auÃer Allah! Wie schön war dieses Volkes Glaube!â Danach stieg Musa wieder vom Hügel herunter, doch war die Welt vor seinen Augen winzig geworden. Als er zu den Truppen kam, überlegten sie den ganzen Tag, wie sie wohl in die Stadt gelangen könnten und er sprach zu seinem Wesir Talib bin Sahl und den Vornehmsten seiner Umgebung: âWie stellen wir es nur an, in die Stadt zu gelangen, dass wir ihre Wunder schauen? Vielleicht könnten wir auch etwas darin finden, wodurch wir des Fürsten der Gläubigen Gunst gewinnen könnten.â Talib bin Sahl erwiderte: âAllah erhalte des Emirs Glück! Wir wollen eine Leiter machen und sie erklimmen, um auf diese Weise, wenn es möglich ist, von innen zum Tor zu gelangen.â Da versetzte der Emir Musa: âDasselbe war mir ebenfalls bereits in den Sinn gekommen.â Hierauf rief er Schreiner und Schmiede und befahl ihnen, Holz zurechtzumachen und eine Leiter zu bauen und mit Eisen zu beschlagen. Die Leute machten sich sofort in bedeutender Anzahl ans Werk und arbeiteten einen vollen Monat lang, bis sie eine starke Leiter hergestellt hatten, worauf sie dieselbe aufrichteten und an die Mauer lehnten, mit welcher sie genau die gleiche Höhe hatte. Der Emir verwunderte sich hierüber und sagte: âAllah segne euch! eure Arbeit ist so gelungen, als hättet ihr für die Leiter MaÃ
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