Märchen aus 1001 Nacht
hat, damit ich sie an ihm rächen kann, so werde ich dich am Tore meines Palastes aufhängen lassen, dich und vierzig deiner Vettern.â Und der Kalif war von heftigem Zorn entflammt. Da trat Dschaâfar vor ihm zurück und batÂ
ihn:âGib mir drei Tage Frist!â Der Kalif erwiderte: âIch gewähre sie dir.â Nun ging Dschaâfar betrübt zur Stadt hinab, indem er bei sich selber sprach: âWie soll ich in Erfahrung bringen, wer diese Frau ermordet hat, dass ich ihn vor den Kaufen bringen kann? Bringe ich ihm einen anderen als den Mörder, so werde ich dereinst für ihn zur Verantwortung gezogen werden. Ich weià nicht, was ich tun soll.â Dann blieb er drei Tage zu Hause; und am vierten Tage schickte der Kalif einen der Kammerherren, um ihn zu holen. Und als er vor den Kalifen trat, fragte dieser: âWo ist der Mörder der Frau?â Dschaâfar erwiderte: âO Beherrscher der Gläubigen, bin ich der Hüter der Ermordeten, dass ich ihren Mörder kennen müsste?â Da wurde der Kalif zornig und befahl, ihn vor dem Palaste aufzuhängen; ferner befahl er einem Rufer, in den StraÃen von Bagdad auszurufen: âWer da sehen möchte, wie Dschaâfar, der Barmekide, der Wesir des Kalifen, mit vierzig der Barmekiden, seinen Vettern, vor dem Tore des Kalifenpalastes gehängt wird, der möge kommen und es sich ansehen!â Das Volk strömte herbei aus allen Teilen der Stadt, um zu sehen, wie Dschaâfar und seine Vettern gehängt würden; doch niemand wusste, warum sie hingerichtet werden sollten. Derweilen errichtete man die Galgen und stellte die Verurteilten unter ihnen zur Hinrichtung auf; man wartete nur noch darauf, dass der Kalif durch das bestimmte Zeichen den Befehl geben würde. Das Volk aber weinte um Dschaâfar und seine Vettern. Da kam plötzlich ein Jüngling, schön von Angesicht und mit schneeweiÃen Kleidern angetan; sein Antlitz glich dem Mondenschein, sein Auge dem schwarzen Edelstein, seine Stirn war glänzend rein, rot seine Wangen, von zartgrauem Flaum umfangen, drin sah man ein Mal wie ein Amberkörnchen prangen. Er bahnte sich unermüdlich einen Weg durch die Menge, bis er vor Dschaâfar stand; da rief er: âdu bist gerettet aus dieser Pein, O du der Emire Herr, der Armen Hort und Wehr! Ich bin es, der jene, die ihr tot in der Kiste gefunden habt, ermordet. Man hänge mich auf und sühne sie an mir!â Als Dschaâfar die Worte und das Geständnis des Jünglings hörte, freute er sich über seine eigene Rettung, aber er trauerte um den schönen Jüngling; und während sie noch sprachen, siehe, da drängte sich ein uralter, hochbetagter Greis durch die Menge und er bahnte sich einen Weg durch die Massen, bis er zu Dschaâfar und dem Jüngling kam. Er grüÃte sie und sprach: âO du Wesir, der Fürsten ragende Zier, glaube den Worten dieses Jünglings nicht! Denn niemand hat die Frau ermordet als ich; sühne sie an mir! So du es nicht tust, werde ich dich vor Allah dem Erhabenen zur Rechenschaft ziehen.â Aber der Jüngling sprach: âO Wesir, dies ist ein alter Greis, der faselt und nicht weiÃ, was er sagt; ich bin es, der sie ermordet hat, also sühne sie an mir.â Der Alte rief: âO mein Sohn, du bist jung und liebst die Welt, ich aber bin alt und bin der Welt überdrüssig; ich will mein Leben als Lösegeld für dich darbringen und für den Wesir und seine Vettern. Niemand hat die Frau ermordet als ich; darum beschwöre ich euch bei Allah, hängt mich sofort auf! Denn mir bleibt kein Leben, da ihres dahin ist.â Als der Wesir dies alles erlebte, erstaunte er und er nahm den Jüngling und den Alten und führte sie beide vor den Kalifen. Er küsste den Boden und sprach: âO Beherrscher der Gläubigen, ich bringe dir den Mörder der Frau!â Der Kalif fragte: âWo ist er?â Dschaâfar antwortete: âDieser Jüngling sagt: ich bin der Mörder; doch dieser Alte straft ihn Lügen und sagt: ich bin der Mörder; und siehe, hier stehen die beiden vor dir!â Da sah der Kalif den Alten und den Jüngling an und fragte: âWer von euch hat jene Frau getötet?â Der Jüngling erwiderte: âIchâ; und der Alte: âNiemand hat sie getötet als ich.â Da befahl der Kalif dem Dschaâfar: âNimm sie und lass sie alle beide
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