Märchen aus 1001 Nacht
und setzte sein Siegel darauf, um es zu bewahren, wenn etwa sein Neffe Hassan käme. Die Tochter des Wesirs aber gebar, als ihre Zeit erfüllt war, einen Sohn; der war wie der volle Mond, das Ebenbild seines Vaters an Schönheit und Vollkommenheit und strahlend er Lieblichkeit. Sie durchschnitten ihm die Nabelschnur, schwärzten seine Augenlider mit Bleiglanz und übergaben ihn den Pflegerinnen; und sie nannten ihn Adschib, das ist der Wunderbare. Er aber entwickelte sich, wie wenn bei ihm ein Tag wie ein Monat und ein Monat wie ein Jahr wäre; und als sieben Jahre über ihn dahingegangen waren, übergab ihn sein GroÃvater einem Lehrmeister und dem trug er auf, ihn zu erziehen, lesen zu lehren und ihm die sorgfältigste Ausbildung zu gewähren. Er blieb in der Schule vier Jahre lang; da begann er mit seinen Mitschülern zu streiten und sie zu schelten und er pflegte zu ihnen zu sagen: âWer unter euch ist wie ich? Ich bin der Sohn des Wesirs von Ãgypten!â SchlieÃlich aber machten die Knaben sich auf und gingen gemeinsam zu dem Lehrer, um sich darüber zu beklagen, wie sie von Adschib zu leiden hatten. Da sagte der Lehrer zu ihnen: âIch will euch etwas lehren, was ihr ihm morgen, wenn er zur Schule kommt, sagen sollt; dann wird er es aufgeben, in die Schule zu kommen. Wenn er nämlich morgen kommt, so setzt ihr euch rings um ihn hin und sagt einer zum anderen: âBei Allah, dies Spiel soll niemand mit uns spielen, auÃer wer uns die Namen seines Vaters und seiner Mutter nennt; denn wer die Namen seines Vater und seiner Mutter nicht weiÃ, der ist ein Bastard und der soll nicht mit uns spielen.â Als es dann Morgen wurde, kamen die Kinder in die Schule und unter ihnen Adschib; und sie scharten sich um ihn und sagten: âWir wollen ein Spiel spielen, aber niemand soll daran teilnehmen, der uns nicht den Namen seines Vaters und seiner Mutter nennen kann.â Und alle riefen: âBei Allah, gut!.
Und einer sprach: âIch heiÃe Mädschid und meine Mutter heiÃt Ala- wia und mein Vater Izz Edin.â Und ein zweiter sprach in derselben Weise und dann ein dritter, bis die Reihe an Adschib kam und er sagte: âIch heiÃe âAdschib und meine Mutter heiÃt Sitt el- Husn und mein Vater Schems Edin, Wesir von Ãgypten. â Da riefen sie: âBei Allah, der Wesir ist nicht dein Vater.â âAdschib aber erwiderte: âDer Wesir ist wirklich mein Vater.â Da verlachten die Knaben ihn und klatschten in die Hände und riefen: âEr weià nicht, wer sein Vater ist; geh weg von uns, denn niemand soll mit uns spielen, auÃer wer seines Vaters Namen weiÃ!â Sofort liefen die Knaben von ihm weg und lachten ihn aus; ihm aber wurde beklommen und er erstickte fast vor Tränen. Da sagte der Lehrer zu ihm: âWir wissen, dass der Wesir dein GroÃvater ist, der Vater deiner Mutter Sitt el-Husn, aber nicht dein Vater. Doch deinen Vater kennst weder du, noch kennen wir ihn; denn der Sultan vermählte deine Mutter mit dem buckligen Knecht; aber ein Dämon kam und schlief bei ihr und du hast keinen bekannten Vater. Darum höre auf, dich über die Kinder der Schule zu überheben, bis du erst einmal weiÃt, dass du auch einen rechtmäÃigen Vater hast; sonst wirst du als ein Kind des Ehebruchs unter ihnen gelten! WeiÃt du nicht, dass selbst der Sohn eines Hökers seinen Vater kennt? Dein GroÃvater ist sogar der Wesir von Ãgypten; aber deinen Vater kennen wir nicht und so sagen wir, dass du keinen Vater hast. Also werde wieder vernünftig!â Als aber Adschib gehört hatte, was der Lehrer und die Kinder sagten und welche Schmach sie ihm anhängten, lief er sofort davon, ging zu seiner Mutter Sitt el-Husn und klagte ihr weinend sein Leid; aber die Tränen hinderten ihn am Sprechen. Als seine Mutter hörte, wie er schluchzte und weinte, entbrannte ihr Herz um ihn wie von Feuer; und sie sprach: âMein Sohn, warum weinest du? Sag mir, was dir widerfahren ist.â Da erzählte Adschib ihr, was er von den Knaben und dem Lehrer gehört hatte und fragte: âMutter, wer ist denn mein Vater?â Sie erwiderte ihm: âdein Vater ist der Wesir von Ãgyptenâ; aber er rief: âBelüg mich nicht! Der Wesir ist dein Vater, nicht meiner. Wer ist denn mein Vater? Wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, so töte ich mich mit diesem Dolche.â Doch als seine Mutter ihn
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