Märchen aus 1001 Nacht
ihr mit, dass dein Oheim aus der Fremde heimgekehrt ist. So Allah will, komme ich morgen zu euch, um sie zu begrüÃen und das Haus zu schauen, in dem mein Bruder wohnte und mir auch die Stätte zu besehen, an der er begraben ist.â Hierauf küsste Aladin dem Maghribiten die Hand und eilte vor Freude spornstreichs zu seiner Mutter. Ganz wider seine Gewohnheit, da er sonst nur zur Essenszeit zu ihr kam, trat er fröhlich bei ihr ein und sagte zu ihr: âMeine Mutter, ich bringe dir die frohe Kunde von der Heimkehr meines Oheims aus der Fremde; er lässt dich grüÃen.â Da versetzte sie: âMein Sohn, du hältst mich wohl zum Narren? Wer ist denn dein Oheim und woher hättest du einen Oheim am Leben?â Aladin entgegnete ihr: âMeine Mutter, wie kannst du zu mir sagen, dass ich weder Oheim noch Verwandte am Leben habe, wo jener Mann mein Oheim ist und mich weinend an die Brust presste und küsste und mir befahl, dir dieses mitzuteilen?â Seine Mutter erwiderte: âMein Sohn, ja, ich weià wohl, dass du einen Oheim hattest, doch ist er gestorben und ich weià nichts von einem anderen.â
Am anderen Morgen ging der Maghribite aus und begann nach Aladin zu suchen, da sein Herz die Trennung von ihm nicht länger zu ertragen vermochte. Während er aber in den HauptstraÃen der Stadt umherging, stieà er auf Aladin, der wie gewöhnlich mit den Lotterbuben spielte. Als er sich ihm genähert hatte, fasste er ihn bei der Hand, umarmte und küsste ihn und zog aus seinem Beutel zwei Dinare hervor, worauf er zu ihm sagte: âGeh zu deiner Mutter, gib ihr diese beiden Dinare und sprich zu ihr: âSiehe, mein Oheim wünscht bei uns zum Abend zu essen. Nimm die beiden Goldstücke und richte ein gutes Mahl her.â Vor allem zeig mir jedoch noch einmal den Weg zu eurem Haus.â Aladin versetzte: âGern, mein Oheim!â Dann schritt er ihm voran und zeigte ihm den Weg, worauf der Maghribite ihn verlieà und seines Weges ging, während Aladin ins Haus trat und den Auftrag seiner Mutter mitteilte, indem er ihr die beiden Dinare gab und zu ihr sagte: âMein Oheim wünscht bei uns zum Abend zu essen.â Da erhob sich Aladin Mutter unverzüglich und begab sich auf den Basar, wo sie alles Erforderliche einkaufte. Dann kehrte sie wieder heim und machte sich an die Herrichtung des Abendessens, indem sie von ihren Nachbarn, was sie an Tellern und dergleichen nötig hatte, borgte. Als die Abendzeit kam, sagte sie zu ihrem Sohn Aladin: âDas Abendessen ist fertig, doch istâs möglich, dass dein Oheim den Weg zu unserm Hause nicht weiÃ; geh ihm daher entgegen.â Aladin versetzte: âIch höre und gehorche.â Während sie aber noch miteinander redeten, pochte es mit einem Male an die Tür, worauf Aladin hinausging und die Tür öffnete; und siehe, da war es der maghribitische Zauberer, begleitet von einem Eunuchen, der Wein und Obst trug. Nachdem Aladin sie hereingelassen hatte, ging der Eunuch wieder seines Weges, der Maghribite aber trat herein, begrüÃte Aladins Mutter und hob an zu weinen und fragte sie: âWo ist der Platz, auf dem mein Bruder zu sitzen pflegte?â Da zeigte sie ihm den Platz und er ging zu ihm und warf sich nieder und küsste die Erde, indem er dabei rief: âAch, wie erbärmlich ist mein Los und wie armselig mein Glück, wo ich dich verloren habe, mein Bruder, o Ader meines Auges!â In solcher Weise weinte und jammerte er, bis er vom Jammern und Schluchzen ohnmächtig wurde. Da war Aladins Mutter überzeugt, dass er wirklich ihres Gatten Bruder war und an ihn herantretend, sprach sie zu ihm, indem sie ihn vom Boden aufrichtete: âWas für einen Nutzen hat es, dass du dich selber umbringst?â Hierauf sprach sie ihm Trost zu und lieà ihn Platz nehmen.
Als er sich nun gesetzt hatte, sagte er zu ihr, bevor noch der Tisch aufgetragen war: âO Weib meines Bruders, lass dichâs nicht wundernehmen, dass du mich während deines ganzen Lebens nicht gesehen und mich zu Lebzeiten meines seligen Bruders nicht kennen gelernt hast; denn vor vierzig Jahren verlieà ich diese Stadt und zog aus meiner Heimat in die Fremde. Ich reiste zunächst nach den Ländern Hind und Sind und durchzog ganz Arabien, worauf ich meinen Weg nach Ãgypten nahm und mich in der prächtigen Stadt niederlieÃ, die ein Wunder der Welt ist. Nachdem ich daselbst
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