Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm
Zaubertiere und Geisterfürsten darauf. Aus zweiundsiebzig Höhlen kamen sie herbei und ehrten ihn als ihr Haupt.
Eines Tages sprach der Affenkönig: »Ihr habt nun alle Waffen; aber dieses Messer, das ich dem Teufelsfürsten abgenommen, ist mir zu leicht, es passt mir nicht mehr. Was ist zu tun?«
Da traten die vier Paviane hervor und sprachen: »Bei Eurer Geisteskraft, o König, werdet Ihr auf der ganzen Welt keine brauchbaren Waffen finden. Könnt Ihr wohl durchs Wasser wandeln?«
Der Affenkönig sprach: »Alle Elemente sind mir untertan, und es gibt keinen Ort, wo ich nicht hin könnte.«
Da sagten die Paviane: »Das Wasser hier an unserer Höhle führt ins große Meer zum Schloss des Ostmeerdrachens. Wenn Ihr solche Zauberkraft besitzet, mögt Ihr zum Drachenkönig gehen und von ihm Euch eine Waffe geben lassen.«
Der Affenkönig war es zufrieden, sprang auf die Eisenbrücke und sagte einen Zauberspruch. Dann stürzte er sich in die Wellen, die sich vor ihm teilten, und lief bis zum Wasserkristallpalast. Da traf er einen Triton; der fragte, wer er wäre. Er nannte seinen Namen und sprach: »Ich bin der nächste Nachbar des Drachenkönigs und komme, ihn zu besuchen.« Der Triton meldete ihn im Schloß, und der Drachenkönig des Ostmeers kam eilig heraus, ihn zu empfangen. Er ließ ihn sitzen und wartete ihm mit Tee auf.
Sun Wu Kung sprach: »Ich habe geheime Weisheit erlernt und die Kraft der Unsterblichkeit erlangt. Ich habe meine Kinder im Waffenhandwerk eingeübt, um unseren Berg zu beschützen; aber ich habe selber keine brauchbare Waffe und komme daher, um bei Euch eine zu entlehnen.«
Der Drachenkönig ließ durch General Flunder einen großen Spieß bringen. Aber Sun Wu Kung war nicht zufrieden damit. Dann befahl er dem Feldherrn Aal, eine neunzinkige Gabel zu bringen, die über dreitausendsechshundert Pfund schwer war.
Aber Sun Wu Kung wog sie in der Hand und sagte: »Zu leicht! Zu leicht! Zu leicht!«
Erschrocken ließ der Drachenkönig nun die schwerste Waffe bringen, die er hatte. Die wog siebentausendzweihundert Pfund. Aber noch immer war sie dem Sun Wu Kung zu leicht. Der Drachenkönig versicherte, dass er keine schwerere habe. Aber Sun Wu Kung ließ sich nicht abbringen, sondern sagte: »Sieh nur mal nach!«
Schließlich kam die Drachenkönigin mit ihrer Tochter heraus, die sprachen zum Drachenkönig: »Mit dem Heiligen da ist nicht gut anbinden. In unserem Meer ist ja noch die große Eisenstange; die hat in letzter Zeit einen roten Glanz gezeigt, das ist wohl ein Zeichen, dass es an der Zeit ist, dass sie herauskommt.«
Der Drachenkönig sprach: »Das ist ja das Lot, mit dem der Große Yü, als er die Wasser ordnete, die Tiefe des Meeres und der Flüsse festlegte. Das darf man nicht wegnehmen.«
Die Drachenkönigin sprach: »Laß es ihn nur einmal sehen! Was er damit macht, geht uns ja nichts an.«
So führte ihn der Drachenkönig zu dem Lot. Schon von ferne sah man es in goldenem Scheine leuchten. Es war eine ungeheure Eisenstange, die an beiden Seiten goldene Zwingen hatte.
Sun Wu Kung hob sie mit aller Kraft; dann sagte er: »Die ist zu schwer; sie müsste etwas kürzer und dünner sein.«
Kaum hatte er das gesagt, so schrumpfte die Stange zusammen. Er versuchte es noch einmal. Da merkte er, dass sie auf Befehl groß oder klein wurde. Bis zur Größe einer Stecknadel konnte man sie zusammenschrumpfen lassen.
Sun Wu Kung war hocherfreut und fuhr mit der Stange, die er hatte wieder groß werden lassen, im Meer umher, dass die Wellen berghoch empor spritzten und das ganze Drachenschloss erschüttert ward. Der Drachenkönig zitterte vor Furcht, und alle seine Schildkröten, Fische und Krebse zogen die Köpfe ein.
Sun Wu Kung sagte lachend: »Danke vielmals für das schöne Geschenk!« Dann fuhr er fort: »Nun habe ich zwar eine Waffe, aber noch keinen Panzer. Lieber, als dass ich noch zwei, drei andere Häuser aufsuche, ist es mir, wenn du mir auch noch eine Waffenrüstung leihst.«
Der Drachenkönig sagte, er habe keine Rüstung.
Da sprach der Affe: »Ich geh nicht eher, bis du mir eine verschafft hast!« Und schon begann er wieder, seine Stange zu schwingen.
»Tut mir nichts!« sagte der erschrockene König. »Ich will mal meine Brüder fragen.«
Und er ließ eine eiserne Trommel rühren und die goldene Glocke schlagen, und im Nu kamen aus allen Meeren die Brüder des Drachenkönigs herbei. Der Drachenkönig besprach sich im Stillen mit ihnen: »Das ist ein ganz gefährlicher
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