Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm
und in einem Atemzuge tausend Meilen machen. Der fünfte kann ins Feuer, ohne zu verbrennen, ins Wasser, ohne zu ertrinken, Schwert und Messer verwunden ihn nicht, Winterfrost kältet ihn nicht, Sommerhitze brennt ihn nicht. Der sechste kann nach Belieben lebende Wesen schaffen und wandeln. Vögel und Tiere, Gräser und Bäume kann er gestalten, Häuser und Schlösser kann er versetzen. Der siebente kann Lehm backen, dass Gold daraus wird, und Blei kochen, dass es zu Silber wird; er kann Wasser mit Stein vermischen, dass die Blasen sprudeln und sich in Perlen verwandeln. Der achte kann auf Drachen und Kranichen reiten nach den acht Polen der Welt, mit den Unsterblichen reden und vor den großen Reinen treten.«
Der König behielt sie vom Morgen bis zum Abend bei sich, beherbergte sie und brachte ihnen Wein dar und ließ sich zeigen, was sie konnten. Und richtig machten sie alles genau so, wie sie es gesagt hatten. Der König kochte nun mit ihrer Hilfe das Lebenselixier. Es war fertig; aber noch hatte er es nicht gegessen, da kam ein Unglück über seine Familie. Sein Sohn hatte mit einem Höfling gespielt und war von ihm aus Unvorsichtigkeit verwundet worden. Der Höfling, der sich vor der Rache des Prinzen fürchtete, tat sich mit anderen Unzufriedenen zusammen, und sie erregten einen Aufruhr. Der Kaiser aber, der davon hörte, sandte einen Feldherrn, um zwischen dem König und den Empörern zu richten.
Die acht Greise sprachen: »Nun ist es Zeit zum Gehen. Dies Unglück hat dir der Himmel geschickt, o König. Wärst du nicht davon betroffen worden, so hättest du es nicht über dich gebracht, die Pracht und Herrlichkeit dieser Welt zu verlassen.«
Sie führten ihn auf einen Berg. Dort opferten sie dem Himmel und vergruben Gold in der Erde. Dann stiegen sie am hellen Tag zum Himmel auf. Die Fußspuren der acht Greise und des Königs haben sich in die Steine des Berges eingedrückt und sind dort noch zu sehen bis auf diesen Tag. Ehe sie das Schloss verließen, hatten sie aber das übrige Lebenselixier in einer Schüssel auf den Hof gestellt. Hühner und Hunde leckten und pickten es auf, und alle flogen zum Himmel empor. In Huai Nan hört man noch bis auf diesen Tag manchmal am Himmel droben Hähne krähen und in den Wolken Hunde bellen, und man sagt, das seien die Tiere, die dem König damals nachgefolgt.
Es war aber ein Diener des Königs, der war ihm auch nachgefolgt bis auf eine Insel im Meer; dort hatte er ihn zurückgeschickt. Der erzählte, dass der König selbst noch nicht zum Himmel aufgestiegen sei, sondern nur die Unsterblichkeit erlangt habe und auf der Welt umherwandere. Als der Kaiser von der Sache hörte, da reute es ihn sehr, dass er dem König Soldaten in das Land geschickt hatte und ihn dadurch vertrieben. Er berief Magier um sich, in der Hoffnung, auch den acht Greisen zu begegnen. Aber obwohl er sich’s große Summen kosten ließ, gelang es ihm doch nicht. Die Magier betrogen ihn nur.
41. Der alte Dschang
Es war einmal ein Mann, den nannte man den alten Dschang. Er lebte in der Nähe von Yangdschou auf dem Lande als Gärtner. Sein Nachbar, namens We, hatte ein Amt in Yangdschou. Seine Tochter war eben im Alter, dass sie heiraten sollte. Darum berief er eine Ehevermittlerin und trug ihr auf, einen hübschen Bräutigam zu suchen. Der alte Dschang hörte das und war erfreut. Er richtete Wein und Speisen zu, lud die Ehevermittlerin ein und sagte zu ihr, sie solle ihn als Bräutigam empfehlen. Die Alte aber ging scheltend und keifend weg.
Am anderen Tag lud er sie wieder ein und gab ihr Geld. Die Alte sprach: »Ihr wisst nicht, was Ihr begehrt. Wie sollte die schöne Tochter eines großen Herrn sich dazu hergeben, einen armen, alten Gärtner zu heiraten! Selbst wenn Ihr steinreich wäret, so würdet Ihr mit Eurem weißen Haar und kalten Blut nicht zu ihr passen. Es kann keine Rede von der Heirat sein.«
Der alte Dschang ließ nicht ab, sie inständig zu bitten: »Versucht es nur einmal, mich zu nennen! Wenn sie nicht auf Euch hören, so muss ich mich mit meinem Schicksal zufrieden geben.«
Die Alte hatte Geld von ihm angenommen; darum wußte sie sich nicht zu helfen, und obwohl sie fürchtete, gescholten zu werden, redete sie zu dem Herrn We von ihm. Der wurde böse und wollte die Alte hinauswerfen.
,,Ich wußte, Ihr würdet mir’s übelnehmen«, sprach die Alte, »aber weil der Greis mich so bedrängte, so konnte ich nicht anders, als Euch von seiner Absicht sagen.«
»Sprich du zu dem
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