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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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sie, wie es ihm gehe und was die Eltern machten. Doch war sie nicht besonders herzlich. Nach einer herrlichen Mahlzeit richteten sie ihm eine Wohnung zu.
    »Meine Schwester will mit der deinen einen Ausflug machen nach dem Feenberg«, sagte der alte Dschang zu ihm. ,,Um Sonnenuntergang sind wir wieder zurück. Du kannst so lange hier ausruhen.«
    Da erhoben sich farbige Wolken im Hof, und eine liebliche Musik ertönte. Der alte Dschang bestieg einen Drachen, seine Frau und seine Schwester ritten auf Phönixen, das Gefolge auf Kranichen. So stiegen sie in die Luft und verschwanden nach Osten zu. Nach Sonnenuntergang erst kamen sie zurück.
    Der alte Dschang und seine Frau sagten zu ihm: ,,Dies ist ein Haus der Seligen. Du darfst hier nicht allzu lange weilen. Morgen wollen wir dir das Geleite geben.«
    Am anderen Tag beim Abschied gab ihm der alte Dschang achtzig Lot Gold und einen alten Strohhut. »Wenn du Geld brauchst«, sagte er, »kannst du nach Yangdschou gehen und in der Nordvorstadt nach der Apotheke des alten Wang fragen. Dort kannst du zehn Millionen Kupferstücke holen. Dieser Hut ist die Anweisung darauf.« Dann befahl er einem Knecht, ihn wieder heimzubringen.
    Von den Leuten zu Hause, denen er seine Erlebnisse erzählte, dachten manche, der alte Dschang sei ein Heiliger, andere hielten das Ganze für einen Zauberspuk.
    Nach fünf, sechs Jahren war das Geld des Herrn We zu Ende. Da ging sein Sohn mit dem Strohhut nach Yangdschou und fragte dort nach dem alten Wang. Der stand gerade in seiner Apotheke und mischte Kräuter. Als er von seinem Anliegen hörte, da sagte er: »Das Geld ist da. Ist der Hut auch echt?« Er nahm den Hut und sah ihn prüfend an. Ein junges Mädchen kam aus dem inneren Zimmer hervor und sprach: »Ich habe den Hut für den alten Dschang selber geflochten, es muss ein roter Faden darin sein.« Und richtig war es so. Da gab er die zehn Millionen Kupferstücke dem jungen We, und dieser glaubte nun dran, dass der alte Dschang wirklich ein Heiliger war. Darum ging er wieder über die Berge, um nach ihm zu sehen. Als er auf den Gipfel kam, da war der Weg verschwunden. Er fragte die Wildheuer, aber sie wußten auch nichts. Traurig kehrte er um und wollte sich beim alten Wang erkundigen, doch auch der war weg.
    Nach mehreren Jahren kam er wieder einmal nach Yangdschou und ging auf dem Anger vor dem Tor spazieren. Dort traf er den Knecht des alten Dschang. Der fragte ihn: ,,Wie geht’s, wie steht’s?« und zog zehn Pfund gelbes Gold hervor; die gab er ihm und sprach: »Meine Herrin hat mir gesagt, ich soll Euch das bringen! Mein Herr trinkt gerade Wein mit dem alten Wang dort in der Herberge.« Er ging dem Knecht nach und wollte den Schwager begrüßen. Als er aber zur Herberge kam, war dort niemand zu sehen. Er wandte sich um, da war auch der Knecht verschwunden. Seither hat niemand mehr etwas vom alten Dschang erfahren.

42. Der gütige Zauberer
    Es war einmal ein Mann, der hieß Du Dsï Tschun. Er war in seiner Jugend verschwenderisch und kümmerte sich nicht um sein Vermögen. Er war dem Wein ergeben und trieb sich den ganzen Tag herum. Als er seinen Besitz durchgebracht hatte, verstießen ihn die Seinen. Eines Tages in der harten Winterzeit ging er mit leerem Magen, zerrissenen Kleidern und barfuß in der Hauptstadt umher. Der Abend brach herein, und er hatte noch immer nichts gegessen. Ohne Ziel und Zweck wanderte er auf dem Markt. Es hungerte ihn, und die Kälte war schier unerträglich. Da blickte er nach oben und klagte laut.
    Plötzlich stand ein Greis vor ihm, auf einen Stab gelehnt, und sprach: »Was fehlt dir denn, dass du so klagst?«
    »Ich bin am Hungersterben«, sprach Du Dsï Tschun, »und kein Mensch hat Mitleid mit mir.«
    Der Alte sprach: »Wieviel Geld brauchst du denn, um reichlich leben zu können?«
    »Wenn ich fünfzigtausend Kupferstücke hätte, wäre mir schon geholfen«, antwortete Du Dsï Tschun.
    Der Alte sprach: »Das reicht nicht.«
    »Nun, dann eine Million.«
    »Auch das ist noch zu wenig.«
    »Dann also drei Millionen.«
    Der Alte sprach: »Nun ist es gut!« Er holte tausend Kupferstücke aus seinem Ärmel hervor und sagte: »Das ist für heute abend. Morgen um die Mittagsstunde erwarte mich am persischen Basar!«
    Zur angegebenen Zeit ging Du Dsï Tschun hin, und richtig war der Alte da und gab ihm drei Millionen Kupferstücke. Dann verschwand er, ohne seinen Namen zu nennen.
    Als Du Dsï Tschun das Geld in der Hand hatte, erwachte aufs Neue seine

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