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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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Greis, wenn er mir heute noch zwei weiße Jaspissteine und vierhundert Lot gelbes Gold bringt, dann wolle ich ihm meine Tochter zur Frau geben.«
    Er wollte aber nur die Torheit des Alten verspotten; denn er wußte, dass jener das doch nicht herbeischaffen konnte. Das Weib ging zum alten Dschang und sagte es ihm an. Der war es zufrieden und brachte sofort das Gold und die Edelsteine vollzählig in das Haus des Herrn We. Der erschrak sehr, und als seine Frau davon hörte, begann sie laut zu jammern und zu klagen. Das Mädchen sprach ihrer Mutter zu: »Mein Vater hat das Wort einmal gesprochen und darf es nicht brechen. Ich weiß mein Schicksal zu ertragen.«
    So gab der Herr We seine Tochter dem alten Dschang. Der gab auch nach der Hochzeit seine Gärtnerei nicht auf. Er schleppte Dünger, hackte das Feld und verkaufte Gemüse wie bisher. Seine Frau musste selber Wasser holen und Feuer machen zum Kochen. Sie tat das alles, ohne sich zu schämen. Ihre Verwandten machten ihr Vorwürfe; aber sie ließ sich nicht abhalten.
    Einst kam ein vornehmer Verwandter zu dem Herrn We und sprach: »Wenn Ihr wirklich arm seid, so gab es doch genug junge Herren in der Gegend für Eure Tochter. Warum musstet Ihr sie gerade an solch einen alten, verrunzelten Gärtner verheiraten? Nun habt ihr sie einmal weggeworfen, da wäre es besser, die beiden zögen aus der Gegend fort.«
    Da bereitete der Herr We ein Mahl und lud seine Tochter und den alten Dschang zu sich. Als sie tüchtig Wein getrunken hatten, ließ er den Gedanken ein wenig durchblicken.
    Der alte Dschang sprach: »Ich bin nur hier geblieben, weil ich dachte, ihr würdet Euch nach Eurer Tochter sehnen. Da Ihr unser überdrüssig seid, will ich gerne weg. Hinter den Bergen habe ich ein kleines Landhaus. Morgen in aller Frühe wollen wir reisen.«
    Am anderen Morgen, als es eben dämmerte, kam der alte Dschang mit seiner Frau, Abschied zu nehmen. Herr We sprach: »Wenn wir später Heimweh haben, kann ja mein Sohn nach Euch fragen.« Der alte Dschang setzte seine Frau auf einen Esel und gab ihr einen Strohhut auf den Kopf. Er selber nahm einen Stock zur Hand und ging hinterdrein.
    Es vergingen ein paar Jahre, ohne dass Nachricht von den beiden kam. Herr We und seine Frau hatten Heimweh nach ihrer Tochter und sandten ihren Sohn, nach ihr zu fragen. Als der hinter den Bergen angekommen war, traf er einen Knecht, der mit zwei gelben Stieren pflügte. Er fragte ihn: »Wo ist das Landhaus des alten Dschang?«
    Der Knecht ließ den Pflug stehen, verneigte sich und sprach: »Ihr seid lange nicht gekommen, Herr. Das Dorf ist nicht weit von hier. Ich will Euch den Weg zeigen.«
    Sie kamen über einen Berg. Unten an dem Berge floß ein Bach. Als sie den Bach überschritten, mussten sie wieder einen Berg hinauf. Allmählich änderte sich die Gegend. Vom Gipfel aus zeigte sich ein Tal, in der Mitte eben, von schroffen Bergen umschlossen und von grünen Bäumen beschattet, zwischen denen Häuser und Türme hervor lugten. Das war das Landhaus des alten Dschang. Vor dem Dorfe floß ein tiefer Bach mit blauem, klarem Wasser. Sie gingen über eine steinerne Brücke, dann kamen sie an das Tor. Blumen und Bäume standen in dichtem Gewirr. Pfauen und Kraniche flogen umher. Von weitem hörte man Flöten- und Saitenspiel. Reine Töne stiegen zu den Wolken auf. Ein Bote in purpurnem Kleid empfing den Gast am Tor und führte ihn in einen Saal, der überaus herrlich war. Fremde Düfte füllten die Luft, und Perlenglöckchen klangen. Zwei Dienerinnen kamen heraus und begrüßten ihn. Ihnen folgten zwei Reihen schöner Mädchen in langem Zuge. Hinter ihnen kam ein Mann in einem weichen Turban, in Scharlachseide gekleidet, in roten Pantoffeln, schwebend heran. Der Gast begrüßte ihn. Er war ernst und würdevoll und dabei doch jugendlich frisch. Erst kannte er ihn nicht; als er aber näher zusah, da war es der alte Dschang. Der sagte lächelnd: »Ich freue mich, dass du den weiten Weg nicht gescheut hast. Deine Schwester kämmt sich eben die Haare. Sie wird dich gleich empfangen.« Dann ließ er ihn sitzen und Tee trinken.
    Nach einer kleinen Weile kam eine Dienerin und führte ihn in die hinteren Gemächer zu seiner Schwester. Die Balken ihres Gemachs waren aus Sandelholz, die Türen aus Schildpatt, die Fenster mit blauem Jaspis eingelegt, die Vorhänge aus Perlenschnüren, und die Stufen waren aus grünem Nephrit. Seine Schwester war prächtig gekleidet und noch viel schöner als früher. Leichthin fragte

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